Mallorca Trainingscamp – Tag 4 – Randa

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oder »Entscheidung am Schicksalsberg«


Nach dem erholsamen Ruhetag konnte es heute eigentlich mit neuer Kraft in diese bekannte Etappe gehen. Ganz so entspannt waren die Vorzeichen jedoch nicht, denn Herbert hatte noch eine Rechnung aus dem letzten Jahr mit mir offen. Wie er mir erzählte, war ich im letzten Jahr vorletzter geworden, zählte mich allerdings als Letzten, da Herbert von mir, wegen seines hohen Alters, nicht in die Wertung genommen wurde. Das hatte der Direktor und Professor ein ganzes Jahr nicht vergessen und in seine Wintertrainingspläne und Ernährungstagebücher mit eingewoben.

Kurz: Er wollte mich in Randa dieses Jahr richtig abkochen und warf mir diesbezüglich schon am Montag den Fedehanschuh hin. Da ich noch nie ein guter Bergfahrer war, Randa wirklich nicht zu meinen Top-Hügeln gehört und Herbert 12-kg abgenommen hatte, waren meine Chancen nicht wirklich gut, die Klostermauern dort oben vor ihm zu erreichen.

Um 10 Uhr versammelten wir uns, wie schon in den Tagen zuvor, auf dem Hotelvorplatz um die Abfahrt zu besprechen. Karin, Susanne, Tine, Thomas, Christoph, Ralph und Mike wollten heute in die Berge aufbrechen und keine Hatz-nach-Randa mitmachen und so fuhren wir zu Neunt Richtung Süden. Die Führung wurde oft gewechselt und es wurde nicht zu flott angegangen.

Nach 55 km um 11:57 Uhr erreichten wir den Abzweig von der Hauptstraße zum Ort Randa, an dem das Bergzeitfahren zwischen Herbert und mir offizielle mit einem fliegenden Start begann.

Meine Taktik war, solange wie möglich an Herberts Hinterrad kleben zu bleiben und wenn möglich irgendwann einen Angriff zu wagen. Soweit die Theorie. Herbert fuhr kontinuierlich und nicht zu schnell in den Berg und es machte mir erstmal wenig Mühe dran zu bleiben. Außer Heiko und Timo waren die anderen Mitfahrer recht schnell abgeschüttelt. Heiko fuhr vorne und Timo beobachtete den Zweikampf unmittelbar hinter mir. Ich war überrascht wie Herbert trat kontinuierlich und rund in die Pedale. Um dran zu bleiben musste ich nun schon das Ein ums Andere mal aus dem Sattel gehen. Der Puls war bei 172 bpm und ich wusste, das da von mir keine Schippe mehr drauf zu legen war. Etwa nach zwei Dritteln der Strecke musste ich reißen lassen und Herbert konnte einen Vorsprung von ungefähr 100 Metern herausfahren. Ich konnte nie sehen das er sich nach mir umdrehte. Seines Sieges war er sich wohl sicher.

Diesen Vorsprung von 100 bis max. 200 Metern konnte er bis zu den Klostermauern halten. Für mich war ab dem Zeitpunkt, an dem ich reißen lassen musste auch kein Beissen mehr drin – zu leichtfüßig kurbelte Herbert zum Kloster hoch.

Respekt! Heute hat er mich ordentlich abgekocht! Was doch so eine ordentliche Winterdiät alles bewirken kann! Oben angekommen gratulierte ich dem Gewinner und Herbert freute sich das seine Randa-Radfahrer-Ehre wieder hergestellt ist.

Ich konnte die Niederlage mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen, da ich zwar gegen Herbert verloren hatte, aber immerhin Platz 4 von 9 gesichert hatte. Also nix Rote-Laterne!

Nach einer Stärkung im Restaurant im Kloster ging es auf die flotte Abfahrt. In einer Kurve verbremste ich mich und mein Hinterrad rutschte weg. Glücklicherweise konnte ich mein Cannondale wieder fangen und es kam zu keinem Sturz.

Die Rückfahrt sollte uns auf bekannten Wegen über Montuiri nach San Juan führen. Durch die leicht abfällige Straße wurde richtig Stoff gegeben und eine klasse Bolzerei begann. Es waren wohl noch jede Menge Körner übrig. Kurz vor Petra fuhren Timo und Herbert gerade aus weiter. Wir hatten wohl nicht genau besprochen, das wir über Llubi zurück in die Home-Base fahren wollten. Nun waren wir nur noch Sieben.

Als letzte Herausforderung wartete noch das Schilf auf uns. Dieser Sektor wird immer erst recht moderat in der Gruppe gefahren, nach der schmalen Brücke geht es dann aber ab: Taktisch wird die Führung gewechselt und jeder versucht, den Hintermann in einem kurzen Moment der Unachtsamkeit oder mit schierer Pedal-Power, abzuschütteln. Direkt hinter Heiko, der in diesem Moment die Gruppe mit etwas über 40 km/h führte, sah ich etwa 400 Meter vor uns einen Bau-LKW aus der Einfahrt der Müllverbrennungsanlage auf unsere Hauptstraße einbiegen. Das war meine Chance! Wenn es mir gelingen sollte, noch mal das Tempo zu erhöhen und in den Windschatten des LKWs zu kommen, könnte ich das Schilf heute für mich entscheiden. Gedacht – getan: Zwar verlor der LKW jede Menge Dreck, der in meinem Gesicht haften blieb, aber was tut man ich nicht alles für einen Tagessieg im Schilf? Keiner meiner Kettenbrüder folgte mir uns so konnte ich nach erreichen des Windschattens des LKWs gemütlich im Winschatten bei 50+ km/h uneinholbar ein paar Meter mitrollen, bevor der LKW zu schnell wurde und ich reißen lassen musste.

Ein kurzer Blick nach hinten: Keiner war mir gefolgt. Trotzdem fuhr ich die restliche Distanz zum Kreisverkehr mit hohem Tempo weiter. Ich wollte auf jeden Fall verhindern, auf den letzten Metern noch kassiert zu werden, was mir glücklicherweise erspart blieb.

In Alcudia wurden wir dann noch von einer Schafsherde ausgebremst, bevor wir leer, grau und glücklich unsere Hotelanlage erreichten.

Fazit: Eine gelungene Ausfahrt auf den Schicksalsberg mit ganz vielen Gewinnern!

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