Lesezeit: 5 Minutenoder »Eine Strecke nach meinem Geschmack«
Um 3:10 Uhr klingelte der Wecker, den ich zum Glück nicht hörte, weil ich mit Ohrstöpsel schlief. Mein Kettenbruder Christoph hört ihn aber, weckte mich, schlüpfte in seine Radklamotten und machte Frühstück, bevor ich mir das Gesicht gewaschen hatte. Super!
Nach Pulverkaffee, Brötchen mit körnigem Frischkäse und Erdbeermarmelade wurden auch schon die Räder auf Erik’s Passat-Dach verladen und es ging auf die rund 50 km nach Motala. Am Ortsausgang, oh Schreck, fiel mir ein, das mein Garmin Edge 800 noch im Hotel am Ladegerät hing. Kurze Panik, aber Erik war so freundlich umzudrehen und zum Hotel zurück zu fahren. Ein Glück war mir das nicht erst in Motala aufgefallen. Ohne Garmin Edge 800 – geht ja gar nicht.
Die Anreise war in 45 Minuten erledigt und wir parkten im Ort, nahmen die Räder vom Dach und fuhren auf direktem Weg zum 2 km entfernten Startplatz, auf dem schon viele Radler versammelt waren. Das Timing stimmte, denn wir hatten noch gut 20 Minuten, bis wir an der Reihe sein würden, und so blieb genug Zeit für das notorische Starter-Foto.
Der Startplatz war nicht überfüllt, da in Blöcken gestartet wurde. Ca. 150 Fahrer/innen, von den 19.110, wurden im 5-Minuten-Rhythmus auf die Strecke gelassen. Ein Motorrad mit Beiwagen begleitete uns die Stadt hinaus und fuhr moderat vorne weg, so dass nicht schon gleich in der kurvigen Innenstadt das Gebolze los ging. Sehr schön.
Draußen auf der Landstraße sortierte sich dann schnell das Feld und wir wollten, trotz starken Gegenwindes, in der Führung mitmischen. Merkwürdigerweise wollte uns die 12 Mann vom Team-Rot aber nicht mit kreiseln lassen, was sie uns auch unmissverständlich zu verstehen gaben. Egal, denn nun bestand Christophs und meine Aufgabe darin, das restliche Feld von den Kreiselnden abzuschirmen. Interessant zuzusehen, wie die Gäng immer vor uns am rotieren war. Das ging ca. 20 km gut, bis Team Fight-Diabetes mit ca. 30 Mann und einer Frau von hinten aufrollten und die Kreiselnden mächtig durcheinander brachten.
Die erste Verpflegung wurde links rechts liegen gelassen und von nun an im großen Pulk, recht unruhig mitgerollt. An einen Stop war nicht zu denken. Ein Fahrer aus dem Diabetiker-Team verrichtete seine Notdurft sogar während der Fahrt. Dachte sowas kriegt man nur bei der TdF zu sehen.
Nach rund 70 km machte mein Speichenmagnet mal wieder unangenehme Geräusche. Ich entschloss ich mich dem Feld kurz davon zu fahren, und nach einem kurzen Stop wieder ins Feld einzureihen. Christoph hielt auch an und das Feld mit Erik mitten drin, preschte an uns vorbei. Wir versuchten wieder Anschluss zu bekommen – vergeblich. Das schnelle Feld war nicht mehr einzuholen. So ein Mist, denn wir ließen dafür auch die 2. Verpflegung sausen. Nun gab es erst in Jöngköping am südlichsten Punkt nach 100 km was zu futtern.
Dort angekommen wartet Erik schon an der Einfahrt der großen Lagerhalle, in der die Speisen gereicht wurden, auf uns. Die Auswahl war überschaubar und bot typisch schwedisch und britische Nationalkost: Porridge, Köttbullar gebraten mit Preiselbeerkompott und Kartoffelpüree, sowie Milch, Kaffee und kleine Milchbrötchen oder Wasa-Knäcke. Alles keine Speisen, die ein Berliner Radfahrerherz erfreut. Ich machte mir den Preiselbeerkompott in die Milchbrötchen, ne Tüte Milch dazu und war halbwegs zufrieden.
Gestärkt ging es nun in die nächsten beiden Drittel der Runde. Nach passieren der eher unattraktiven Stadt Jöngköping ging es wieder in schöne Wälder entlang des Vättern-Sees. Nun hatten wir Rückenwind und es lief ganz hervorragend. Erik wollte sein eigenes Tempo fahren. Christoph und ich fuhren von nun an leider ohne Erik Ete weiter und machten an den Hügeln ordentlich Druck.
Interessant zu beobachten war, das die Schweden ein Hindernis nicht mit Handzeichen hinter dem Rücken signalisieren, sondern sich kurz und knackig auf den Hintern der Gefahrenseite klopften. Ein Name für diese Aktion war schnell gefunden: Der Schweden-Klaps!
Christoph und ich steuerten, strategisch schlau, die nächste Verpflegung an um Erik wieder einzusammeln, leider bemerkte Erik das erst, als er schon an uns vorbeigefahren war. Nun war unsere neue Mission klar definiert: Ete jagen!
Bei dieser Mission verlor ich leider Christoph, sammelte aber jede Menge andere Fahrer ein, die sich dankend bei mir ins Schlepptau hingen. Ich hatte richtig Spass an der Führungsarbeit und bevor ich mich versah, war ein riesen Schwanz an Rennradlern hinter mir. Dabei lernte ich Johan, den Ironman, mit seinen beiden Buddies kennen, die dankbar für meine ausgiebige Führungsarbeit waren. Bei mir lief es heute wirklich super und ich wollte nicht mehr vorne raus gehen. Der Rückenwind gab mir Schub und die kurzen knackigen Wellen waren genau mein Revier.
Mit Johan blieb ich bis zum Ziel zusammen. Dieser amüsierte sich köstlich, als ich neben dem Tempomachen im Wind auch noch die Kamera zückte und dieses Foto machte. Er beteiligte sich an der Führungsarbeit, was mich sehr freute und entsprechend kurzzeitig regenerieren ließ. Die letzten 50 Kilometer ging es wieder nach Süden und das bedeutete Gegenwind.
Johan verlor bei diesem Kampf leider seine Kettenbrüder und so kamen nur er und ich in den Landkreis von Motala. Immer wieder überholten wir viele Radler die mit ihren Kräften am Ende waren oder Anstiege gar schoben.
Die letzten 10 Kilometer drehten wir noch mal richtig am Rad und beschleunigten oft über 40 km/h. Im Ziel kamen wir grau aber glücklich an.
Dort hatten sich schon großen Mengen an Radlern in der Zielgasse gestaut, denn die Transponder mussten abgegeben werden und auch eine Medaille wurde einem umgehängt.
Das wars dann aber auch schon: Kein Kaltgetränk, keine weitere Verpflegung, Nicht mal ein Erfrischungsgetränke-Stand war in Sichtweite. Für eine Cola-Zero musste ich fast einen weiteren Kilometer mit dem Rad fahren. Schade.
Fazit: Eine herausfordernde Runde über knapp 300 Kilometer im Herzen Schwedens bei herrlichem Sonnenschein und fast wolkenlosem Himmel ab 5 Uhr. Durch die 40-jährige Erfahrung sehr gut organisierte Abläufe und Straßensperrungen. Die Streckenführung ist abwechslungsreich und es gibt viel aufs fürs Auge. Negativ aufgefallen ist mir die relativ einfache Verpflegung, die an den folgenden Stationen nur noch Milchbrötchen, Wasser, Honigwasser und Johannesbeersaft bereit hielt. Für 120 € Startgeld hätte auch ein FInischer-Trikot oder wenigsten eine Getränkeflasche bzw. Zielverpflegung gut gepasst. So steht das Startgeld leider in keinem Verhältnis zur gebotenen Leistung.
Eine Veranstaltung die ich gerne auf meinem Zettel hatte und abgehakt habe.