Meine Samstag Nacht als »Mover«bei »miles« car-sharing

Lesezeit: 6 Minuten

oder »Der schwere Versuch, mit Autofahren leicht Geld zu verdienen«


In der Corona Pandemie hat man es als Single nicht leicht, am Samstag Abend ein wenig Zerstreuung zu finden. YouTube ist leer geguckt, Netflix schon seit längerem obsolet und die Stammkneipe hat schon seit gefühlten Jahren geschlossen.

Nicht nur die, die eine eigene Familie haben igeln sich ein. In einer Pandemie-Samstag-Nacht im Dezember 2020 kommt gefühlt das gesamte öffentliche Leben zum erliegen und mir fiel mal wieder die Wohnzimmerdecke auf den fieberfreien Kopf.

Wie schon so oft, verspürte ich trotz Indoor-Sport-Einheit, akuten Handlungs- und Bewegungsdrang. Da kam mir die Werbung in meinem Safari-Webbrowser sehr gelegen: Es werden Mover gesucht: Das bedeutet konkret, Miet bzw. neudeutsch »sharing« Fahrzeuge des Anbieters »miles« aus unwirtschaftlichen Ecken der Hauptstadt in die Corona-Hot-Spots des öffentlichen Lebens zu bewegen und dafür Zaster zu kassieren. Liest sich toll und die Registrierung mit Führerschein, Perso und Video-Authentifizierung – powered by Zoom – war in weniger als fünf Minuten erledigt. Auszahlung soll jeden Freitag aufs PayPal Konto erfolgen. Tutto Bene.

Nun nochmal fünf Minuten auf die Freischaltung warten, in die Winterjacke schlüpfen und fertig war die Verwandlung zum Samstag-Abend-Mover.

Das ich mit dieser Unternehmung nicht meine nächste Weltreise würde finanzieren können, war mir von vornherein klar. Ob es aber wirklich wirtschaftlich Sinn machen würde, also wieviel genau hängen bleiben würde, wollte ich herausfinden.

Das erste Move-Objekt in Form eines recht neuen VW-Polos musste erstmal gefunden werden. Es stand am Mierendorfplatz. U-Bahn freundlich gelegen. Denn ich musste ja irgendwie am Ende meiner »Schicht« auch wieder nachhause kommen. Um nicht gleich ein U-Bahn-Ticket zu verballern und mich in riesen Unkosten zu stürzen, bevor ich den ersten Cent verdient hatte, wählte ich als Fortbewegungsmittel meinen treuen Smart cdi. Kosten von 0,372 € pro Kilometer machten die Anreise zum Mierendorfplatz mit 3 km relativ wirtschaftlich: 1,12 € standen nun erstmal auf der Soll-Seite.

Der zu »movende« Polo präsentierte sich unaufgeregt in der kalten und diesigen Nacht. Nur der starke Nikotingeruch und die schmierige Frontscheibe störten den positiven Gesamteindruck. star-fm reingedreht und auf direktem Weg in den Prenzelberg. Nach wenigen Kilometern begann die Heizung zu wärmen und nach etwa einer halben Stunde Arbeitszeit begann ich Spaß dran zu haben, durchs nächtliche, verkehrsarme Berlin zu düsen und damit auch noch Geld zu verdienen.

gerne wäre ich diese 4€ Tour gefahren
gerne wäre ich diese 4€ Tour gefahren

Der Prenzelberg war erreicht und das Fahrzeug auch schnell in einer »HotZone« geparkt. Nun war ich endlich im Haben und hatte ein wenig Geld verdient.

Leider kann man in der App nicht sehen, wo das nächste Fahrzeug steht. Dafür braucht man dann wohl ein zweites iPhone und so ist es ein Glücksspiel, wie weit man zum nächsten »Move-Objekt« zu laufen hat. Nicht cool und ein echter Show-Stopper. Auch der verdiente Zaster wird einem nicht quittiert oder irgendwo gut geschrieben. Vertauen zu »miles« ist gefragt.

Ich hatte relatives Glück – vorerst – denn das nächste Fahrzeug war unter 2 km entfernt und der Algorithmus sagte, daß es in den Friedrichshain bewegt werden wollte. Fußmarsch durch die kalte Nacht. Was erschwerend hinzu kam, war der Umstand, daß ich das Fahrzeug nicht reservieren konnte. Die mover-App sieht das einfach nicht vor. Ein Lotteriespiel ob nicht doch das Fahrzeug von einem zahlenden Kunden bewegt wird und ich umsonst im kalten Prenzlauer Berg umher gewatet bin. Umsonst ist ein tolles Stichwort, denn der Marsch war tatsächlich umsonst, denn das Fahrzeug ließ sich nicht öffnen. App Neustart mit kalten Fingern. Nix, niente, nada. Also die Hotline anrufen und um Hilfe bitten. Ein Link direkt aus der App führt zum Telefonhörer, wie bequem! Nur leider kein Gegenüber, nur eine Bandansage: »Dieser Service steht zur Zeit nicht zur Verfügung«Oh well. Innerhalb von wenigen Minuten wurden aus Euphorie pure Verzweiflung. Was mache ich hier um 22:30 Uhr in einer dunklen Nebenstrasse ohne Mobilität weit von meiner warmen Bude entfernt?!

niemand da unter dieser Nummer
niemand da unter dieser Nummer

An Aufgeben wollte ich nicht denken. Die Flucht nach vorn: Wo steht ein anderes Move-Objekt Auto? Das nächste war im tiefen Wedding hinter der Wollankstrasse. Zu weit zu laufen.

WeShare, die e-Golfs wollte ich immer schon mal ausprobieren, wusste aber dass diese Fahrt für meine Haben-Seite wenig förderlich sein würde. Trotzdem klappte die Miete des e-Golfs unproblematisch und wenig später schnurrte ich fast lautlos und elektrisch durch die kalte Nacht. Im Wedding dann viele Einbahnstrassen und akuter Parkplatzmangel. Mindestens einen Euro MietSharing-kosten verbrachte ich damit einen Parkplatz zu finden. Dieser war dann auch wieder weit entfernt von meinem, zum Geld verdienen, zu bewegenden Fahrzeug.

Also wieder Fußmarsch. Nicht gerade in meinem Lieblings-Ghettobezirk. Komische Gestalten auf den ansonsten leeren Gehwegen. Der miles-Polo wurde erreicht und ließ sich auch öffnen. Kurze Freude, dann wieder der Geruch von kaltem Rauch und selten gewaschener Kleidung, den ich noch aus den Eck-Kneipen mit den nikotingelben Vorhängen, einer längst vergessenen Zeit, kannte. Warum darf man in den Autos rauchen? Zum Glück lag kein Müll in dem Auto, denn diesen hätte ich laut »Rule-book« noch wegräumen müssen. Nicht auszudenken, wenn in dem Auto vollgerotzte Taschentücher gelegen hätten!? Sollte ich die dann wegräumen? Echt? Komische Gedanken stellten sich ein. Aber erstmal fahren.

Die direkte Fahrt in den Friedrichhain wurde dann durch eine rote Kelle auf der Danziger Strasse jäh unterbrochen. »Allgemeine Verkehrskontrolle« nennt die Berliner Polizei das. »Fahrzeugschein und Führerschein bitte – haben Sie Alkohol getrunken oder Drogen konsumiert?«

»Nein, den Fahrzeugschein habe ich nicht, ich bin »Mover«

»Sie sind was?«

nach einer kurzen Erklärung durfte ich meine Fahrt fortsetzen. Erleichtert aber doch ein wenig aufgekratzter ging es in den Friedrichshain. Am Boxi habe ich dann einen schönen Parkplatz gefunden und das nächste Fahrzeug gesucht.

auch diesen miles durfte ich nicht moven
auch diesen miles durfte ich nicht moven

Am Ostbahnhof. Euer Ernst? Das sind fast drei Kilometer Fußmarsch! Egal, einfach machen! Vorbei an Polizeiwache und gelockdowntem Berghain, Neues Deutschland-Hochaus und fast menschenleerem Ostbahnhof. Dann endlich der schwarze »miles«-Polo unter einer Brücke!

Zu meiner ersten Euphorie gesellte sich schnell harte Frustration, denn der Wagen ließ sich erneut nicht öffnen. Eigentlich ein Kündigungsgrund mit Schadensersatzforderung: Arbeitsverweigerung bei nun 50% der Aufträge!

Das kann es doch nicht sein, oder?**

Weitere Fahrzeuge wären mehr als fünf Kilometer entfernt gewesen und da es kurz vor Mitternacht war, entschloss ich mich, das Experiment des »leichten Geldverdienens« zu beenden.

Leider kam die nächste S-Bahn erst in 20 Minuten und diese würde mich auch nicht zurück zum Mierendorfplatz bringen. Also reservierte ich mir ein shareNow, mit dem ich zum Mehringdamm fuhr, um mit der U-Bahn zurück zum Mierendorfplatz zu fahren.

Um kurz vor ein Uhr war ich etwas aufgedreht und nach Nikotin stinkend wieder zuhause.

Gut drei Stunden Arbeit lagen hinter mir. Natürlich hätte ich die Wege ein wenig mehr optimieren können. zum Beispiel mit einem Brompton Faltrad im Kofferraum, sofern vorhanden. Dann hätte ich keine anderen Sharing-Dienste in Anspruch nehmen müssen. Aber so bleibt nicht viel, außer kalte Ernüchterung und einen Stundenlohn von 1,89 €

Fazit: Ich bin kläglich gescheitert ein paar Kröten zu verdienen. Woran es genau lag, mag ich nicht beurteilen. Vielleicht an meinem unvermögen die richtigen Entscheidungen zu treffen. An der Technik oder meiner Ortskenntnis lag es nicht. Ausgestattet war ich mit einem iPhone 12 Pro max mit 5G und vollem Akku.

auch die BVG mag mich nicht nach Hause lotsen
auch die BVG mag mich nicht nach Hause lotsen

Lag es vielleicht doch an einem ausbeuterischen Geschäftsmodell des Anbieters? Aber vielleicht sollte man auch nicht die Erwartungshaltung haben, mit solch einem Job eine mehrköpfige Familie durch den Corona-Winter 2020 füttern zu können!? Aber nicht mal zum Hobby-Autofahren-Geldverdienen taugt das Ganze. Eigentlich ein Geschäftsmodell, dass von höherer Stelle unter die Lupe genommen gehört. Herr Wallraff hätte sicher auch seine Freude an dem Projekt gehabt. Meine Meinung. Was meinst Du?

Teilen des Artikels ausdrücklich erwünscht!

Unter der Telefonnummer ist nie jemand zu erreichen. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Immer Bandansage.

** Der miles-Polo steht vier Tage später dort immer noch, ohne bewegt worden zu sein. Habe gerade in der App nachgeschaut.

Move-Objekt von miles
Move-Objekt von miles

Mein Sportjahr 2019 – Eine Retrospektive

Lesezeit: 2 Minuten

Mittlerweile hat es schon fast Blog-Tradition, hier am 31. Dezember einen Jahresrückblick zu veröffentlichen.

Gerade nach den Ereignissen vom  6. Oktober 2018 eine wichtiges Instrument, nochmal in mich zu gehen und zu reflektieren, wie viele schöne Momente ich im vergangenen Jahr auf dem Rad erleben durfte. Wie kostbar und auch wie fragil diese Konstruktion Leben ist.

Das Radsport-Jahr 2019 bot nicht so viele High-Lights wie 2018. Nicht nur, weil es keine echte Fern-Rad-Reise gab. Der Vergleich geht auch nur knapp mit 4 zu 3 an 2018, denn in 2019 waren meine drei Highlights auf jeden Fall die unvergesslichen Radreisen nach:

Ansonsten bin ich meinem Motto treu geblieben, dass nicht mehr die besten Ergebnisse zählen, sondern das Fahren und Erleben an sich. Die Natur um mich herum zu erfahren und nicht mehr noch schneller anzukommen. Wie dies sonst Enden kann, habe ich erlebt.

Meine Jahreskilometer waren wieder ein bisschen weniger als noch im Jahr zuvor. Auch habe ich keine Ambitionen finden können, bei Draußen-Veranstaltungen wie Festive500 oder dem Winterpokal in der Kälte zu frieren mitzumachen. Egal! Ich bin gesund und habe Spass an meinem Hobby. Auch komme ich mal wieder mit Hilfe von Zwift passabel und im Warmen durch die kalte Jahreszeit. Das alles ohne gefrorene Gliedmaßen. Comfort-Zone verlassen, um was Neues zu erleben? Been there – done that.

Mein Wunsch für 2020 und die neue Dekade? Erneut viele schöne sturzfreie Momente auf dem Renner erleben und dabei viele weit entfernte Länder kennen lernen. Nicht mehr und nicht weniger…

 

Mallorca Trainingscamp 2019 – Mein Ré­su­mé

Lesezeit: 2 Minuten

»schön war’s«


Wer die Blog-Einträge der vergangenen Tage verfolgt hat, braucht eigentlich nicht weiter zu lesen. Das Ré­su­mé ist klar und fällt durchweg positiv aus. Die meisten Dinge waren perfekt. An vorderster Front stand natürlich meine Gesundheit. Für mich gab es viele Fragezeichen vor der Abfahrt: Würde ich mit den Anderen mithalten können? Kann ich in brenzligen Situationen meinem Ehrgeiz trotzen? Würde es zu Komplikationen kommen? Was macht der Flug- und Reisestress mit mir?

Retrospektiv betrachtet war eigentlich alles noch viel besser als erwartet: Ich konnte mit der Gäng mitmischen, mir an den Anstiegen einige Duelle liefern und auch viele persönliche Bestzeiten verbessern. Das liegt sicher nicht nur an den Blutverdünnern, welche ich einnehmen muss, sondern auch an den nun viel besseren Leitungen die zu meinem Herzen führen. Dafür bin ich sehr dankbar.

Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Den bekam ich am Abreisetag zu spüren. Nach unserer wirklich lockeren Abschlussrunde ging es mir beim anschließenden Packen sehr schlecht. Es kam mir vor als würde mich das Bücken, in die Hocke gehen und Rad verstauen sehr stark anstrengen. Mein linker Arm schmerze sehr stark und mein Kreislauf war schwach. Mit meiner neuen AppleWatch machte ich ein EKG, der aber keine Auffälligkeiten zeigte. Auch war der Puls normal. Die Schmerzen verschwanden erst vollständig am nächsten Morgen. Nicht gut und kein toller Abschluss für eine so beschwerdefreie Reise.

Eigentlich war alles perfekt. Der Eine wird sicher sagen, daß es hätte fünf Grad wärmer sein können. Ja klar. Aber das war für mich kein Muss. Richtig gefroren haben ich nur zweimal für etwa zehn Minuten. Das ist kein schlechter Schnitt, für neun Ausfahrten, oder?

Das ich 2020, sofern es meine Gesundheit weiterhin zulässt, wieder komme ist eigentlich sonnenklar. Das PortBlue war wieder die perfekte Herberge für einen perfekten Radurlaub. Die Insel bietet auch alles, was das Radfahrer-Herz höher schlagen lässt. Vielleicht im nächsten Jahr mit ein paar mehr Leuten? Auch Frauen haben gefehlt.

Hier noch die schnöden Statistiken und mein persönlicher Zettel:

  • 9 Ausfahrten auf der Insel
  • 1.092,2 Kilometer gefahren
  • 11.595 Höhenmeter erklommen
  • 40 Stunden und 44 Minuten Rad gefahren
  • 0 Platten oder Defekte

Was habe ich auf dem Zettel abgehackt und was muß warten:

✔ Kaffeetrinken in Santa Maria

✔ zum Kloster Randa hoch gefahren

✔ Farmers Market in Deià

✔ Hoch zum Kloster Lluc

✔ Ritt zum Cap Formentor

✔ Kaffeetrinken in Petra mit Orangenhälften

✔ 1x Puig Major

❌ Hoch zum Kloster San Salvador

❌ durchs Orangental nach Manacor

❌ Puig Major von beiden Seiten hoch gefahren

❌ Küstenstrasse komplett gefahren

und hier noch die Kollektion meiner Lieblingsbilder: