»Identity theft« Part 1

Lesezeit: 3 Minuten

Bisher kannte ich dieses neue Internetwort nur aus der Presse und dachte „So etwas kann mir nicht passieren“ – aber weit gefehlt.
Wie jeden Feierabend öffnete ich meinen Hausbriefkasten und fand dort diesen Brief eines Obergerichtsvollziehers. Ich war natürlich mehr als irritiert, denn Post vom Obergerichtsvollzieher bekommt man ja nicht alle Tage und schon gar nicht mit einer Androhung zu einer Zwangsvollstreckung.

Nach dem ersten tiefen durchatmen habe ich mir gleich das Telefon geschnappt und bei dem Obergerichtsvollzieher angerufen. Dieser war oberfreundlich und wir waren uns schnell einig, das es sich wohl um eine Verwechselung handeln muss, da ich mit der Advanzia Bank S. A. noch nicht in irgend einer Geschäftsbeziehung stand.

Nach dem Abgleich meines Geburtsdatums wurde mir aber dann doch etwas mulmig: Der andere Georg Josef Lutz hatte das selbe Geburtsdatum wie ich!

Der Obergerichtsvollzieher sah ein, das es sich um einen Betrug handeln musste und gab mir die Telefonnummer der Rechtsanwaltskanzlei, welche die fordernde Bank vertrat, und versicherte mir das er die Zwangsvollstreckung aussetzen werde und den Fall der Kanzlei zurück schicken werde.

Nach dem Anruf dort stellte sich heraus, das der Andere „Herr Lutz“ in der Amsterdamer Straße 24 gewohnt hat, und nachdem man eine Meldeauskunft gefordert habe, sei man auf meine Anschrift gestoßen. Das erklärt natürlich auch, warum ich nie irgendwelche Mahnungen oder Inkassobescheide erhalten habe.

Die Forderungen der Bank beliefen sich im übrigen auf 202,- € plus Mahngebühren, also rund 400,- €.

So langsam wurde mir die Sache zu mysteriös und ich beschloss die Sache der Polizei anzuzeigen. Ich wählte den direkten Weg zum Abschnitt 24 und nicht den Weg über die Internetwache. Nach nicht unwesentlicher Wartezeit nahm dann doch ein Beamter meine Anzeige auf. Er sah es auch als einen klaren Fall von Betrug, stellte mir ein Aktenzeichen aus und übergab denn Fall an das Landeskriminalamt.

Ich war natürlich neugierig und der kleine Nick Knatterton in mir wurde aktiv: Ich fuhr nach Hause, steckte mir meine Fenix Digital L2D Taschenlampe ein und macht mich auf den Weg in den tiefen Wedding in die Amsterdamer Straße 24.

Dort erwartete mich die übliche Weddinger Street-Scene: Dönerbude, Türkischer Gebetsverein, Head-Shop und kiffende Jugendliche auf der Straße – nett hier.

Der Hauseingang der Nummer 24 war – wen wundert’s – nicht verschlossen und so konnte ich direkt den Hausflur betreten ohne irgendwo klingeln zu müssen. Nach Sichtung der unzähligen mit südländischen Namen beschrifteten Briefkästen entdeckte ich auch meinen Namen – fein säuberlich dort angebracht:

Briefkasten

Ich versuchte noch mit den Fingern an weiter Post in dem Briefkasten zu gelangen konnte aber nur Werbeflyer aus dem völlig überfüllten Briefkasten fischen. Dieser Briefkaste wurde wohl von dem Betrüger schon vor langer Zeit aufgegeben.

Auf dem stillen Diener des Hauses war natürlich kein E. Burv** verzeichnet. Ich habe aber auch wirklich keine große Lust verspürt an einer Tür in diesem Haus zu klingeln und nach Herrn Lutz zu fragen. Das überlasse ich dann lieber den Herren, die dafür ausgebildet sind. Allerdings sollte wohl jedem klar sein, das es keinen Mieter in dem Haus geben wird, welchem dieser Briefkasten gehört. Ein idealer Briefkasten für kriminelle Machenschaften: Freier Zugang von der Straße und niemand interessiert sich dafür, in diesem heruntergekommenen Haus.

Nun interessiert mich natürlich brennen die kriminalistische Aufklärungsarbeit der Polizei und ob ein Ermittlungsergebnis verzeichnet werden kann.

Was ich mich bei der Aktion allerdings von Anfang an gefragt habe:

  • Wie kann man ein Kreditkarten-Konto unter falschem Namen in Deutschland ohne entsprechenden Identifikation eröffnen? Meinen Personalausweis hatte ich nie verloren.
  • Warum hat der Täter nur 200,- € abgehoben?
  • War das ein Einzelfall oder kommt jetzt eine Lawine von Forderungen auf mich zu?
  • Wird meine Strafanzeige zu einem Ermittlungsergebnis führen?

Es bleibt spannend und ich werde über den Ausgang der »Identity theft« in Part 2 und hoffentlich nicht noch Part 3, berichten.

Eine Antwort auf „»Identity theft« Part 1“

  1. Auf die Frage, wie soetwas „in Deutschland“ passieren kann, kann ich dir eine Antwort geben – Der Gläubiger hat seinen Firmensitz (wie man an der REchtsform sehen kann) nicht in Deutschland, sondern irgendwo anders. Wahrscheinlich in Frankreich. Möglicherweise sind die Bestimmungen zur Identifikation von Bankkunden dort nicht so streng wie bei uns – oder es wurde ein Fehler gemacht, z. B. könnte es sein, dass statt eines echten Personalausweises eine gefälschte Persokopie verwendet wurde. Kurz: Identitätsklau ist manchmal einfacher als man denkt und es muss kein gefälschter Personalausweis gewesen sein. Es gibt viele Wege, eine Identität zu kapern.

    Du solltest dich auch mal kundig machen, wie häufig dein Familienname ist. Es gab mal einen Fall, wo zwei Leute den gleichen Namen und das gleiche Geburtsdatum hatten – und sie waren Kunde bei der gleichen Bank. Die Korrespondenz Kunde-Bank lief in etwa so ab:
    „Alarm! Meine Kreditkarte wird missbraucht!“
    „Ok, wird gesperrt, Sie bekommen eine neue.“

    „Hilfe! Meine Kreditkarte geht nicht!“
    „Ja, die wurde gesperrt, neue ist schon unterwegs.“
    … und dieses hin-und-her wiederholte sich mehrfach.

    Warum der Täter nicht mehr abgehoben hat? a) Kein Betrug, nur zufällige Namensgleichheit b) Er konnte nicht mehr abheben.

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