Rhön-Rad Marathon Super-Cup

Lesezeit: 5 Minuten

212,7 km | 3.726 Höhenmeter


Nach einer zweiten kurzen Nacht mit automatischem aufgeregten Aufwachen um 4:29 Uhr in einer komfortablen kleinen Pension in Bad Salzschlirf ging es nach einem recht übersichtlichem Frühstück, bestehend aus drei Honigbrötchen und drei Tassen Kaffee mit dem Auto ins 10 km entfernte Bimbach. Die freiwillige Feuerwehr dirigierte uns professionell auf die Wiese der Grundschule, welche für diesen Tag als Parkplatz dienen sollte.

Wir fuhren mit unseren Rädern zum Start und reihten uns 10 Minuten vor 6 in die wartenden Menge ein. Es roch nach Massageöl und die Veranstalter versuchten uns mit Eye of the Tiger und AC/DC zu motivieren. Ein gemeinsamer Countdown ging den Radlern aber nicht über die Lippen und so ging es ohne diesen um punkt Sechs raus aus Bimbach.

Der Weg war uns bekannt: So kamen wir gestern ins Ziel: Die Runde ging heute entgegengesetzt des Uhrzeigersinns und es waren noch einige Nettigkeiten gegenüber der RTF eingebaut worden, von denen sich die Erste gleich nach 28 km Fahrt in den Weg stellte: Die Ebersburg mit ihren kurzzeitigen 18% wollte erzwungen werden und zwang auch schon gleich einige Radfahrer zum Absteigen und schieben. Einen Spindler-Pass-Bezwinger wie mich, konnte das allerdings nicht wirklich schocken: Einfach, mit dem nun perfekt eingestellten Schaltwerk, schalten und kurbeln und wegbügeln war die Devise.

Die Beine fühlten sich erstaunlich gut an. Ich hatte auch meine gestrige negative Einstellung geswitched und die Berge für heute nicht mehr als Feinde sondern als Herausforderung deklariert. So ließ sich auch die kurz darauf folgende Wasserkuppe, für meine Verhältnisse, erstaunlich souverän fahren und ich war überrascht als ich schon oben bei der Segelfliegerstation war und die anschließende lange Abfahrt genießen durfte. Am Wegesrand hing immer wieder Zeitungspapier im Gebüsch. Ein sicheres Indiz dafür, das sich die Führenden, weit vor mir, den Rad-Marathon ganz schön Ernst nahmen und perfekt vorbereitet waren.

Im Tal bogen wir links ab und es ging hinauf zum Schwedenwall. Praktisch das wir diesen Anstieg gestern schon in umgekehrter Richtung als Abfahrt gefahren sind: So wusste ich genau was mich erwartet und konnte den Anstieg relativ entspannt nehmen. Oben gab es heute hervorragende Versorgung: Für die Marathonfahrer wie mich, die ein grünes Armbändchen erhalten hatten, stand ein VIP-Buffet bereit, an dem es neben Käsestullen, Panetone Kuchen und Müsli, auch diverse Schokoriegel gab. Sehr nett. Nun bloß nicht zu viel futtern: Es liegen noch einige Höhenmeter vor mir.

Erstaunt begegnete ich auch Karin, die ein paar Cottbusser kennengelernt hatte, mit denen sie gut fahren konnte. Ich wollte alleine weiter. Heute war nicht mein Tag für Gruppenfahren. Das merkte ich auch immer wieder in den kommenden flachen Sektoren. Immer wieder überholten mich Gruppen an die ich mich für Windschatten ranhängen konnte. Das machte ich ein paar Minuten mit, dann wurde es mir zu unruhig hinten, ich ging für ein paar Minuten an die Spitze, verlor aber auch da schnell die Lust, die mir unbekannte Gruppe zu führen und so verabschiedete ich mich das ein ums andere mal mit einem Ellenbogenwink und ließ mich zurück fallen.

Ich überlegte angestrengt was mit mir los war, wo mein Competitive-Edge geblieben war. Leider fand ich keine Antwort, merkte aber das dieser Marathon mehr zu bieten hatte als Kopf unten, Kette rechts, konzentriertes Hinterrad-glotzen des Vordermannes und hektische Tempowechsel.

Ich machte mir auch immer wieder über diese Sätze auf den ersten Seiten des aktuellen Assos Kataloges gedanken:

Als wir mit dem Radfahren begannen, sind wir noch mit den Gedanken gefahren, anderen zu zeigen, das wir besser, schneller und stärker sind als sie. Doch dann haben wir uns weiterentwickelt und festgestellt, das es eigentlich niemanden interessiert, denn den eigentlichen Wettkampf bestreitet man gegen sich selbst.

Die Landschaft und der Frühling hatten heute Priorität.

Am Kontrollpunkt 3 in Fladungen merkte ich das mein Hinterrad wieder Luft verlor. Ich hatte den Fremdkörper aus meinem Mantel am Vortag wohl doch nicht finden können. Ich ließ von einem Helfer den Servicewagen anrufen und dieser erschien auch wenig später und ersetzte meinen hinteren Mantel und Schlauch. Für einen Pauschalpreis von 18 EUR. Fair. Tun musste ich nichts, nur bezahlen und in der Sonne Milchreis essen und den beiden Mechanikern zusehen wie sie mein Hinterrad wieder zu neuem Leben erweckten. Genial!

Nun folgte ein langer Anstieg hinauf zur Hochröhnstraße. Oben auf dem Kamm hatten wir heute Rückenwind und es ließ sich gut fahren, denn ich freute mich schon auf die rasante Abfahrt herunter nach Hilders.

Dort teilte sich die Strecke und es ging wieder hinein in den Berg. 118 km waren zurückgelegt und ich merkte wie meine Muskulatur in den Beine begann zu zu machen. Ich hielt sofort an, bevor der erste Krampf kommen konnte und nahm eine Limptar, die die Verspannungen unmittelbar löste. Ein Nutrixxion Gel Lemon Fresh, welches vor dem Start den Marathonfahrern im Starterpaket mitgegeben wurde, wollte nun auch von mir verzehrt werden. Über Geschmack läßt sich ja bekanntlich streiten, aber das war so ziemlich das Merkwürdigste was ich bisher an Gels probiert hatte: Es schmeckte nach Pfefferminzbonbon-Hustensaft-Limonen-Kaugummi. Nicht gerade ein kulinarischer Hochgenuss aber es sollte mich ja auch nur den Berg hoch bringen. Kaufen würde ich sowas nicht.

Oben auf dem Kamm des 815 Meter hohen Ellenbogens passierten wir die Grenze nach Thüringen und es wiesen uns Schilder darauf hin, das hier bis 1989 Deutschland geteilt war. Weiter ging es landschaftlich nun relativ unspektakulär und ich begann mich nach dem Kontrollpunkt 4 zu sehnen. Dort sollte es Warmverpflegung geben.

Erschöpft erreichte ich Kaltensundheim und freute mich über die Pasta mit Tomatensoße und den Käsekuchen als Nachtisch. Bei der Abfahrt begegnete ich wieder Karin, die die Cottbusser wieder gefunden hatte. Nun war klar, das ich wirklich Gas geben musste. Ich wollte nicht erneut eingeholt werden.

Auf dem Plan lag auch nur noch ein relativ kurzer Anstieg hoch nach Theobaldshof und dann sollte es nur noch wellig zurück nach Bimbach gehen. Ich fuhr weiter alleine und begann nun viele Fahrer zu überholen, die sich ihre Kräfte nicht gut eingeteilt oder sich überschätzt hatten.

Am letzten Kontrollpunkt 5 wurde halt gemacht und ich erkundigte mich, wann die Ersten denn hier durch gekommen sind. Das war schon gut 2 Stunden her. Nicht schlecht! Das zeigt mir eindeutig das ich wohl nie ein toller Bergfahrer werden würde, aber der Spass steht ja im Vordergrund und so nahm ich den letzten Sektor in Angriff und düste weiter nach Bimbach. Ich merkte das ich noch etliche Körner hatte und so überholte ich ein Tri-Team aus Hamburg und so manchen Einzelfahrer.

Vielleicht hätte ich an den Bergen doch mehr geben sollen dann wäre ich im Ziel wirklich total ausgepowert gewesen. Aber das kann ich dann ja im nächsten Jahr tun, dann kennen ich die Strecke und kann mir meine Kräfte besser einteilen.

Ralph erwartete mich schon im Ziel. Er war runde 50 Minuten eher dort. Wir tranken noch gemeinsam ein Erdinger Alkoholfrei, zu welchem er mich einlud. Als die Gläser schon leer waren kam auch Karin glücklich und zufrieden im Ziel an. Sie wollte ja eigentlich die 150er Runde fahren, ließ sich dann aber doch zum Marathon überreden, was sie im Nachhinein nicht bereute.

Wir verluden die Räder und machten uns auf den Weg zurück ins 10 km entfernte Bad Salzschlirf um zu duschen und unsere Sachen zu packen. Wir konnten nach Belieben auschecken, und das für 25,- EUR pro Nase und Tag/Nacht. Sehr angenehm.

Nach einem kurzen Power-Nap von Ralph ging es dann auf die 400 km lange Heimfahrt in die Hauptstadt.

Fazit:

Eine sehr gelungene und professionell organisierte Veranstaltung des RSC´77 Bimbach e.V durch wunderschöne, mir unbekannte Landschaften.

Die Strecke ist anspruchsvoll aber auch für einen Flachländer wie mich zu bewältigen. Der Termin an Pfingsten 2011 ist schon in meinem Kalender vorgemerkt!

http://www.rhoen-radmarathon.de

Rhön-RTF

Lesezeit: 4 Minuten

155,6 km | 2.295 Höhenmeter


Am Samstag morgen um 3:40 Uhr holte mich Ralph W. mit seinem Saab-Kombi ab, um gemeinsam nach Hessen zum Rhön-Rad-Marathon zu fahren. Wir hatten uns viel für dieses Pfingstwochenende vorgenommen: In genau 4:20 Stunden wollten wir im rund 400 km entfernten Bimbach am Start zur 112 km Runde der Rhön-RTF stehen. Als Eingewöhnungsrunde und dann am Sonntag den Marathon-Supercup fahren.

Die Autobahn war leer und so erreichten wir um um kurz vor 8 unser Ziel. Es blieb genügend Zeit unsere Wertungskarten abzugeben, die 3,- EUR Stargebühr zu entrichten und uns und unsere Räder startklar zu machen.

Letzte Vorbereitungen vor dem Start zur RTF

Obwohl wir um kurz vor acht am Start waren gab es keine, wie in Berlin übliche, flotte Gruppe die gleich losbolzte. Genau das Richtig, denn wir wollten heute ruhig fahren und uns an die Wellen und die Straßen gewöhnen.

Unser Weg führte, begleitet durch fast wolkenlosen Himmel und Sonnenschein um 8 Uhr morgens, heraus aus Bimbach durch einen frisch duftenden grünen Wald. Der Belag war glatt und makellos, wie gerade für uns ausgewalzt, wir fühlten uns beide unmittelbar wie im Urlaub und freuten uns auf die Eindrücke und Kilometer die uns erwarten würden.

Es wurde auch schnell wellig und Anstiege legten sich uns in den Weg. Ralph war immer vorne weg und ich genoss das gezogen zu werden und nicht führen zu müssen. Ralph machte das nichts aus uns so erreichten wir auch schon die erste Kontrolle. Dort gab es nur sehr spärliche Verpflegung: Prinzenrolle-Imitat, Apfelschnitze, Banane und divers, obligatorische Rhönsprudel von dem Hauptsponsor.

Wir waren ein wenig enttäuscht und wünschten uns eigentlich beide etwas herzhaftes. Um so mehr lief uns das Wasser im Mund zusammen, als das Helferteam begann für sich Käse- und Salamibrötchen auszupacken. Da war aber für uns leider nichts dabei. Unsere Nachfrage bestätigte, das es an allen Kontrollpunkten heute nur diese Verpflegung geben wird. Ok, für 3,- EUR kann man auch nicht all zu viel verlangen. Man versprach uns aber das es beim Super-Cup am Sonntag ordentlich VIP-Verpflegung für die 33,- EUR Startgebühr geben werde. Na fein. Wir beschlossen unterwegs an einem Supermarkt außerplanmäßig Rast zu machen und dann die herzhafte Brotzeit nachzuholen.

Erstmal standen aber ein paar knackige Anstiege auf dem Programm. Ich fuhr diese relativ unmotiviert und so entschwand Ralph recht schnell weit vor mir. Oben wartetet er geduldig und machte Fotos.

An der Streckenteilung wollten wir Rast machen und entscheiden ob wir ggf. doch die lange Strecke fahren wollten. Wir wollten, denn das Wetter war hervorragend und die Beine fühlten sich gut an. Was hätten wir auch sonst tun sollen? Schon um 13 Uhr in der Pension hocken und der kommenden Dinge harren!? Wir waren ja schließlich zum Radfahren in die Rhön gefahren!

Nach dieser Entscheidung musste aber wirklich erst einmal Brotzeit gemacht werden und Ich steuerte relativ zielsicher einen Metzger an um dort Wurstsemmeln zu ordern. Die keineswegs überraschte Metzgerin erwiderte aber mit trauriger Miene, das bereits alle Brötchen aus seien. Sie habe schon die doppelte Menge verkauft! Da waren wohl noch andere Radler scharf auf was Herzhaftes! So musste dann leider doch ein Bäcker herhalten, wir stopften die süßen Backwaren in unsere Trikottaschen, denn die süßen Köstlichkeiten sollten erst oben auf dem Kamm der Hochrhönstrasse gegessen werden und nicht schon im Tal um auf dem Anstieg verdaut zu werden. Wir fanden ein herrliches Plätzchen in der Sonne und machten auf fast 900 m.ü.n.N. rast. Die Sonne war so warm das uns selbst dort oben nicht kalt wurde. Beim Blick gen Himmel waren wir uns sicher das das ein herrliches Wochenende mit den ersten wirklich sommerlichen Temperaturen in diesem Jahr werden würde.

Gestärkt wurde die dann doch recht zugige Hochrhönstrasse passiert und wir wurden mit einem herrlichen Rundumblick nach Bayern belohnt. Hinab ging es mit Topspeed von 75,7 km/h nach Fladungen wo die zweite Kontroll- und Verpflegungsstelle auf uns wartete. Hier gab es Brühe aus Kunststoffbechern und Eierwaffeln. Ein kleiner Upgrade. Nach erneutem Sonnenbad viel es uns beiden schwer wieder Tritt zu fassen um die restlichen Kilometer in Angriff zu nehmen – wir hatten erst knapp die Hälfte geschafft.

Es wurde wieder hügeliger und die Anstiege wurden länger und länger. Ich begann langsam aber sicher mürbe zu werden. Einrollrunden waren eigentlich nicht so schweißtreibend, aber das war ja ne waschechte RTF und keine Lullerrunde! So war ich recht froh als wir den Schwedenwall, den letzten hohen Ort unserer heutigen Tour erreichten. Dort gab es noch eine ausgiebige Verpflegung und es ging zurück von Bayern nach Hessen. Besonders schön fand ich Bischofshein: Das Zentrum der Ortschaft war liebevoll saniert und man konnte den Eindruck gewinnen, das hier die Zeit stehen geblieben war.

Nun wurde es flacher trotzdem konnten wir noch kurze Abfahrten genießen bevor wir wieder Bimbach erreichten.

Eine fast gelungene Einrollrunde, denn meine Schaltung ließ sich die ganze Runde über nicht sauber schalten. Das lag wohl an den neuen Kettenblättern, Kassette und Kette. Auch hatte ich einen Schleicher, welcher mir zum Ende der Runde die Luft aus dem Hinterrad drückte.

Zum Glück war ein mobile Werkstatt eines lokalen Radhändlers im Ziel. Dieser nahm mein Bike auf den Montageständer und justierte die Schaltung perfekt! Ein klasse Service, der mit ein paar Münzen in die Kaffeekasse belohnt wurde. Um den Schleicher wollte ich mich später selber kümmern.

Nach der vermeintlichen Reparatur und ausgiebiger Dusche fuhr ich mit Karin zurück zum Start/Ziel um an der verkochten Pasta-Party teil zu nehmen.  Nach dem Essen gab es noch eine Präsentation von Lightweight, einem weiteren Sponsor, auf der Bühne des Festzelts von deren überlegenen Felgen, auf der ich erfreut Stephan, Eike und Sebastian entdeckte, welcher die Vorzüge dieser Laufräder und die positiven Fahreigenschaften vor großem Publikum beschrieb.

Im Anschluss fand eine sehr professionelle Etappenpräsentation mit dem Beamer auf der großen Leinwand statt. Die morgige 212 km lange Marathonstrecke wurde in Sektoren geteilt und mit Hilfe von 2- und 3D-Diagrammen genau die Anstiege mit maximaler Steigung und Höhenmetern beschrieben. Anders wird es wohl bei der Tour-de-France auch nicht laufen. Ich war überrascht und erfreut über die professionelle Präsentation und Organisation. Das alles machte viel Vorfreude auf den morgigen Tag!

Zurück in der Pension verabredeten wir uns noch mit Karin für einen Abendspaziergang in unserem Kurort inklusive Absacker im 1839 erbauten Kur-Park, wo eine Liveband undefinierbare Big-Band Musik spielte. Es war schon halb 11 und nun hieß es schleunigst in die Heia, denn der Wecker sollte uns schon um 4:30 Uhr unseren Träumen entreißen.

Auf Friedensfahrt – Kurs 2010

Lesezeit: 7 Minuten

1. Tag Prolog von Falkenberg -> Görlitz

158,83 km | 594 Höhenmeter


Voller Vorfreude traf ich meine Rennrad-Buddies, Christoph, Peter, Uwe, Oliver, Sven und Stephan mit Rennrad und Rucksack am Bahnhof Gesundbrunnen. Ein Regionalexpress sollte uns nach Falkenberg/Elster bringen. Dort begann der Prolog, der uns nach Görlitz führte, wo die Friedensfahrt 2010 ihren Anfang nehmen sollte.

Peter Scheunemann, seine Frau Christel und eine große Helferschar begrüßten uns freudig. Die vielen freiwilligen Helfer und Fahrer verluden unser Gepäck und halfen bei der Zuteilung der Startnummern. Nach einer kurzen Ansprache des Bürgermeisters von Falkenberg ging es auch schon auf die knapp 160 km lange Tour.

Im Zug hatten wir schon auf dem iPhone das Regenradar geprüft und für gut befunden, dass es heute trocken bleiben würde. So durften die Regenjacken und Überschuhe im Mercedes Sprinter Material- und Gepäckwagen von Bodo die Reise nach Görlitz antreten. Wir machten uns ruhig und routiniert mit gespeichertem Garmin-Track auf den Weg gen Osten. Rückenwind und gute Laune waren unsere ständigen Begleiter und so wurde im Handumdrehen nach knapp 80 km das reichhaltige Buffet in Lieske erreicht. Es wurden Vollkorn-Brot mit Kräuterquark, Tomaten, Paprika, Äpfel, Bananen, Frischeiwaffeln, Wasser und Tee gereicht. Alles was ein Radler sich wünscht und nach körperlicher Anstrengung besonders mundet!

Gestärkt ging es nun die restlichen Kilometer in die Grenzstadt Görlitz in die Jugendherberge, wo unser Gepäck schon auf uns wartete.

Nun wurden die Teilnehmer aus Leipzig, Dresden und anderen Teilen der Republik begrüßt und die komfortablen 8-Bett-Zimmer bezogen. Die Spaghetti-Bolognese zum Abendbrot waren genau die richtige Basis für die Strapazen der nächsten Tage. Voller Vorfreude wurden zeitig die Zimmerlichter gelöscht, um ausgeruht und ausgeschlafen die lange Etappen am kommenden Tag bewältigen zu können.

2. Tag Görlitz -> Turnov

164,10 km | 2.238 Höhenmeter


Die heutige Etappe begann mit einem schnellen Frühstück mit Müsli und Marmeladenbrötchen, denn das Gepäck wollte verladen werden und der parteilose Oberbürgermeister von Görlitz Joachim Paulick wollte seine Rede für uns zeitig beginnen, um uns anschließend mit seinem schönen neuen 7er BMW inkl. Chauffeur auf die höchste Erhebung um Görtlitz, die Landeskrone zu führen. Ein tolles Bild: Ganz vorne ein Polizeifahrzeug mit Blaulicht, dahinter der Oberbürgermeister und darauf folgend knapp 100 RadfahrerInnen, die die verschiedenen Varianten des Görlitzer Kopfsteinplasters erfahren wollten und dabei eine herrliche Führung durch die bezaubernde Altstadt genießen durften. Keine Stadt hat mehr als 5.000 Baudenkmäler!

Das Sightseeing war aber schnell beendet, als die Rampe der Landeskrone erreicht war. Die Schaltwerke der Teilnehmer begannen zu rattern und es wurde zügig auf kleinen Gänge gewechselt. Der kurze aber knackige Anstieg schien auch dem uns begleitenden Ex-Team-Telekom Profi Uwe Raab zu gefallen, Christoph konnte die Bergwertung aber trotzdem für sich entscheiden. Ob das der Grund war das Uwe Raab an den Folgetagen nicht mehr dabei war?

Nach dem 16%igen Anstieg war nun auch der letzte Teilnehmer angeschwitzt und es ging im Polizeikonvoi raus aus Görlitz Richtung Zittau.

Das Tempo wurde forciert und es bildeten sich verschieden schnelle Grüppchen. Es wurde sauber im Wind gewechselt und ordentlich bis kurz vor Zittau gefahren, wo uns erneut eine Polizei-Eskorte erwartete, die uns in die Stadt auf den Marktplatz führte und dann bis an die Grenze geleitete.

Dort musste wir auf einen Radweg ausweichen, der uns zum Buffet führte. Nach einer ausgiebigen Stärkung ging es weiter zu den ersten Hügeln: Das Jeschkengebirge hat keine wirklich steilen Rampen aber doch ist das Gebirge steil genug um die Beine schnell müde zu machen. Viel Schalten war wichtig um einen Runden tritt zu wahren.

Schloss Lemberk wurde passiert und das Böhmisches Paradies erreicht. Auffällig waren die vielen Burgen, welche wir fast im Minutentakt passierten. Ebenso die grünen Wälder mit ihren zerklüfteten Felsformationen: Eine atemberaubende Kulisse für eine Fahrradetappe.

Nach rund 160 km wurde dann Turnov – die Stadt der Edelsteine – erreicht, wo das Hotel Karel IV unsere Herberge für die Nacht sein sollte.

3. Tag Turnov -> Kudowa Zdrój

100,66 km | 660 Höhenmeter



Der prasselnde Regen, welcher die ganze Nacht auf das Fensterbrett unseres schönen Hotels ein nieder ging, ließ für die heutige Tour nichts gutes erahnen. Und der Blick ins Internet bestätigte dann unsere Befürchtung: Es würde wohl eine reine Regenetappe werden.

Eigentlich erträglich, wenn dann auch die Temperaturen nur einstellig sind, ist es wirklich unangenehm den ganzen Tag im Sattel zu verbringen. Aber wir hatten keine Wahl, das Etappenziel Kudowa Zdrój musste erreicht werden, wir entschlossen uns, die kurze nur 100 km lange Genießerrunde zu fahren. Erleichternd kam hinzu, dass diese Etappe mit 611 Höhenmetern relativ flach war und so bei dem Sauwetter nicht auch noch hohe Hügel gebügelt werden mussten.

Nach knapp über 100 km durch schöne Landschaften, die sich bedingt durch den zugezogenen Himmel, nicht wirklich genießen ließen, erreichten wir das kurz hinter der tschechischen Grenze gelegene Kudowa Zdrój. Das Hotel lag an einem Hang in dem kleinen Wintersportort und die Zimmer mussten erst einmal ordentlich eingeheizt werden, um die nassen Sachen wieder trocken zu bekommen. Dies gelang wegen der herunter gefahrenen Heizung leider nur bedingt. Unsere Truppe legte dann einen kollektiven Mittagsschlaf ein, denn wir waren aufgrund es frühen Starts um 8 Uhr in Turnov schon um kurz nach 12 in Kudowa Zdrój und hatten bei dem Wetter keine Lust auf weitere Aktivitäten im Freien.

Nach dem Abendessen hörte es auf zu regnen und es wurde, wie an jedem Tag, noch ein Abendspaziergang eingelegt und der kleine Ort erkundet. Es gab Schokolade aus dem Supermarkt, welche bedingt durch fehlende Złoty mit EC Karte bezahlt werden musste. Dann ging es mit der Hoffnung auf bessere Wetter zeitig ins Bett.

4. Tag Kudowa Zdrój -> Karpacz

162,34 km | 2.017 Höhenmeter


Heute wurde erst um 9 Uhr gestartet und so hatten alle Fahrer mehr Zeit sich zu sortieren und die Räder in Schuss zu bringen. Die lokale Polizei von Kudowa Zdrój führte uns relativ professionell aus dem Ort, auf diese relative lange und hügelige Etappe, welche das Riesengebirge als Ziel hatte.

Wir fuhren ständig durch einen grau verhangenen Himmel, schoben das Regenfeld aber ständig vor uns her oder zogen es nach, blieben aber glücklicherweise den ganzen Tag, trotz gefühlter 99%iger Regenwahrscheinlichkeit von Wolkenbrüchen verschont.

Wenn dann auch noch die Zeit reicht um den Blick durch diese atemberaubende Landschaft schweifen zu lassen, schlägt jedes Radfahrer Herz höher. Nach rund 30 km wurde der Ort Adršpach erreicht, der das größte und wildeste Felsenlabyrinth in Mitteleuropa beheimatet. Eine perfekte Film- oder Postkartenkulisse gaben die wie Schneidezähne aus dem Boden ragenden Felsen ab.

Nach weiteren 50 km wurde der Asphalt wieder schlechter, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass wir Polen erreicht hatten. Vor uns lag nun das Riesengebirge, welches seinem Namen alle Ehre machte. Es begrüßte uns mit einem 16 Kilometer langen Anstieg. Oben angekommen, neben still gelegten Skiliften ging es dann die 8 Kilometer lange Abfahrt hinab ins Tal, wo sich alle für die etwa 9 km lange Bergankunft sortierten. Es war ein tolles Gefühl auf der Hauptstraße mit den vielen Buden und Fußgängern am Wegesrand, durch diesen belebten Wintersportort zu fahren. Die verschiedenen Essensgerüche machten Hunger und steigerten die Freude über das Erreichen des nahen Ziels. Aber die Straße durch den Ort wollte einfach nicht enden, und wurde immer steiler! Kontinuierliche 10% Steigung nach 1.900 hm auf 150 Kilometern zu treten, erfordert ein hohes Maß an Willenskraft und Disziplin.

Im Hotel Apollo erwartete uns bereits unser Gepäck und ein schönes 4-Bett-Zimmer im dritten Stock. Der Aufstieg ins Zimmer wurde genau geplant, denn die Stufen erschienen wie ein Marsch über den Hillary Step.

Nach dem Abendessen wurde wieder unser traditioneller Verdauungsspaziergang angetreten, welcher uns zu einem Live-Open-Air Rock Konzert führte. Dieses fand an einem malerischen Staudamm statt und die polnische Jugend und wir hatten viele Spass am Live-Rock, Lagerfeuer und leckerem Pivo vom Fass. Die junge Tresenkraft konnte aufgrund Ihres angeheiterten Zustands meines Charms nicht mehr richtig Złoty in Euro umrechnen, und so erhielten wir 4 leckere Becher Fassbier zum Preis von 5 €. Sehr fein.

5. Tag Karpacz -> Görlitz

139,40 km | 2.076 Höhenmeter



Die letzte Etappe unserer fünftägigen Rundfahrt sollte uns aus dem Riesengebirge zurück in die Bundesrepublik führen, nicht aber ohne noch eine ordentliche Bergwertung einzulegen.

Diese Prüfung sollte mein ultimativer Anstieg werden: der Spindlerpass, eine 10 km lange Rampe mit 891 hm. So etwas bin ich bisher noch nicht gefahren und ich dachte auch zeitweise das Rennrad sei das falsche Gerät, um solch eine Straße zu befahren. Wanderstiefel oder zumindest ein Mountainbike wären sicher angebrachter. Steigungen von über 23% gepaart mit feuchtkaltem Wetter erfordern ein sehr hohes Maß an Körperbeherrschung und Willen. Auch die Entfernungsmarkierungen auf der Straße, die die Polen dort für Ihr Bergzeitfahren angebracht hatten waren wenig hilfreich für die Motivation, denn es gab immer wieder wilde Sprünge bei der Zählung oder die Zahlen wurden einfach durchgestrichen und mit anderen Farben wieder übermalt.

Aber jede Qual hat einmal ein Ende und so erreichte ich in dichtem Nebel und bei gefühlten minus 10°C und Windböen der Stufe 5 Peter Scheunemanns Versorgungsfahrzeug. Dort wurde unter großer Eile eine halbe Banane inhalierte und schleunigst meine Regenjacke für die kalte Abfahrt übergezog. Gipfelgenuss geht anders.

Die Böen machten sich nun auf der schnellen Abfahrt heftigst bemerkbar und der Lenker musste fest umklammert werden, was auf Grund der tiefgefrorenen Finger ein echtes Kunststück war. Aber ich wusste, dass es mit jedem Meter, welchen es nach unten ging auch ein wenig wärmer werden würde und so galt wieder einmal: Kette rechts und durch.

Im Tal kamen dann sogar ein paar wenige Sonnenstrahlen durch den grauen Himmel, was mich glücklicher machte als 10 Stück Mohnkuchen.

Nachdem das Riesengebirge hinter uns gelassen war, wartete aber schon das Isergebirge darauf von uns erklommen zu werden, und so ging es mit routiniertem Tritt wieder hinauf auf den kühlen, nebligen Kamm des Isergebirges. Eine schöne Landschaft, die bei Sonnenschein sicher wirklich genossen werden kann, so wurden aber nur Höhenmeter gesammelt und der Sous Stausee passiert, um den 980 Meter hohen Jizerapass zu meistern.

Dort oben wussten wir, dass nun alle Hügel erklommen waren und es nur noch hinab nach Görlitz ging und so wurden die letzten 20 km in 2er-Reihe über schlechte polnisch und tschechische Straßen zurück zur Jugendherberge in Görlitz gefahren. Dort wartete schon Bodo mit unserem Gepäck und wir hatten noch Zeit für eine schnelle Dusche, denn wir wollten den bald fahrenden Zug zurück in die Hauptstadt erreichen.

Nach Verabschiedung ging es frisch geduscht auf unseren Rädern zum Bahnhof. Unser Gepäck wurde von Bodo mit dem Materialtransporter zum Bahnhof gefahren und so blieb noch Zeit für ein Beck’s Gold als Wegzehrung zurück in die Hauptstadt.

Mein Fazit:

Auch im Jahr 2010 war diese Veranstaltung – Dank Peter Scheunemann und seinem Team – eine perfekt gelungener Kurzurlaub, in dem ich viele neue Eindrücke sammeln durfte.

Ohne das permanente Strippen ziehen der Organisatoren im Hintergrund wäre so ein stressfreies Fahrradfahren durch zwei  mir doch recht fremde Länder niemals möglich gewesen. Mein Dank geht auch an Detlev Römer für die tolle Streckenplanung! 5-Sterne-Deluxe!

Im nächsten Jahr bin ich wieder dabei – keine Frage!

Statistik:
725,32 km in 5 Tagen gefahren
27:03 Stunden im Sattel gesessen
26,8 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit
7.058 Höhenmeter erklommen