Radfahren in Berlin

Lesezeit: 3 Minuten

»Erzwungene Vorfahrt endet mit Faustschlag im Gesicht«


Am Samstag wollte ich nur noch schnell zum Frisör in der Wilmersdorfer Strasse, bevor es mit meiner besten Freundin zu einer gemeinsamen Radtour gehen sollte. Soweit, sowenig außergewöhnlich.

Natürlich lege ich solche Strecke mit meinem Stadt-Rad zurück. Die beste Art & Weise von A nach B zu kommen. Besonders bei so schönem Wetter wie heute. Blauer Himmel & Sonnenschein.

Um zur Wilmersdorfer Strasse zu gelangen wählte ich bewusst verkehrsarme Strassen immer im Fokus, den Autofahrern so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Eine bewährte Taktik im Großstadt-Dschungel.

So fuhr ich auf der Sesenheimer Strasse und wollte in die Schillerstrasse einbiegen. Beides Tempo-30-Zonen. Ich befand mich auf der Vorfahrtstrasse – Rechts vor Links – kennt man – weiss man.

Ein Autofahrer war nun der Meinung, dass er das nicht so genau nehmen müsse, und ich als Radfahrer ja auch mal warten könne, weil es so schön für ihn rolle. So nahm ich es zumindest wahr. Für mich rollte es auch toll, mit dem entscheidenden Unterschied, dass ich mich auf der Vorfahrtstrasse befand. So rollten wir quasi zeitgleich in den Kreuzungsbereich und er drängte mich entsprechend ab, weil er nicht bremsen wollte. War genommen wurde ich. Die Scheiben der Beifahrerin waren unten, es war ja warm. Recht des Stärkeren? Der Schwächere gibt nach?

Ich folgte meiner Spur und bog in die Schillerstrasse ein und klopfte mit der flachen Hand auf seine Seitenscheibe, was die Situation eskalierte.

Der Kraftfahrzeuglenker zog abrupt zu mir rüber und schloss die Gasse zwischen ihm und den parkenden Autos. Seine Frau sprang wie eine Furie aus dem Auto und beschimpfte mich aufs übelste. Passanten kamen hinzu und nahmen Notiz.

Die Frau des Fahrzeuglenkers drang derart in meinen persönlichen Bereich ein, dass ich sie zurück drängte und schubste. Nicht stark, aber um sie entsprechend von mir fern zu halten.

Darauf hin fing ich mir einen heftigen Schwinger mit der Faust des Fahrzeuglenkers auf meine Linke Wange ein.

Meine geliebte Radbrille flog in hohem Bogen durch die Luft und der Fahrer machte noch Anstalten, diese zu zertreten. Diese übertriebene Aggression überraschte mich.

Er drohte mir, mich ja nicht zu entfernen. Um dies zu unterstreichen trat er noch gegen mein Rad.

Ich hatte nicht vor, den Ort des Geschehens zu verlassen. Viele Passanten beobachteten bereits das Geschehen und den Angriff gegen meine Person.

Ich wollte nur noch die Polizei anrufen und um Hilfe bitten.

Dies tat ich auch, benommen von dem Faustschlag teilte ich meinen Standort mit. Passanten baten mir ihre Visitenkarte an und sicherten mir zu, den Tathergang zu bezeugen.

Die Polizei, welche wenig später am Ort eintraf nahm meine Anzeige professionell auf, nicht ohne mich zu ermahnen, dass ich eine Teilschuld (50%!?) an den Vorkommnissen tragen würde, weil ich die Vorfahrt mir nicht einfach holen dürfe. Auch mein Schlag auf seine Scheibe der hinteren Türen wäre nicht ok, was ich natürlich einsah, aber betonte, dass dies keine Sachbeschädigung sei.

Eine anfängliche Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung war später nicht mehr »gefährlich« weil die Polizei es nicht als erwiesen sah, dass der Kraftfahrzeugführer mich mit seinem Fahrzeug abgedrängt hatte. Also nicht seinen PWK als Waffe eingesetzt hatte. Der Polizist meinte noch, dass Amri am Breitscheidplatz den LKW als Waffe genutzt hatte. Hier kann wohl nicht davon ausgegangen werden. Auch von einem gefährlichen Eingriff in den Strassenverkehr wollte er nichts wissen.

Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr § 315b(1):

Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 2. Hindernisse bereitet

Ich bedankte mich für seine Einschätzung. War überrascht über die Zurechtweisung.

Fazit: Als Radfahrer niemals auf seine Vorfahrt bestehen. Auch nicht in einer 30er-Zone. Kann leicht mit einem Faustschlag im Gesicht, einer kaputten Radbrille und einem zusammengetretenen Fahrrad enden.

  • Was meinst Du?
  • Wie sollte ich weiter vorgehen?
  • Brauche ich einen Anwalt?
  • Ist Dir ähnliches Wiederfahren?

5 Antworten auf „Radfahren in Berlin“

  1. Klingt nach Anwalt… geht gar nicht. Haste Rechtsschutz? Echt ne harte Nummer…. ich befürchte fast, ich hätte zurückgeschlagen.

  2. Der Amri-Spruch wäre für mich der Auslöster für eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Aufgabe der Polizei ist es, den Sachverhalt festzustellen. Über Teilschuld, Strafe etc. entscheidet im Ernstfall ein Gericht.
    Gefährliche Körperverletzung dürfte schwer nachzuweisen sein, Gefährdung im Straßenverkehr mit ‚einfacher‘ Körperverletzung war es aber in jedem Fall.
    Wie schon geschrieben: im Zweifelsfall einen Anwalt bemühen.

  3. IANAL, but:

    Ob bei der Verkehrssache was zu holen ist, weiß ich nicht.

    Wegen des Faustschlags hast Du ja schon mal Anzeige gestellt, oder? Wichtig, möglichst viele Zeugen für Deine Version in die Anzeige zu schreiben, damit es nach einer klaren Sache aussieht.
    Wenn Du Glück hast, dann stellt die Staatsantwaltschaft das Verfahren nicht gleich ohne Auflagen ein. Wenn doch, kannst Du Dir überlegen dagegen Einspruch einzulegen. Erfolgsaussichten wahrscheinlich aber eher mau.

    Unabhängig davon kannst Du Dir einen Anwalt nehmen und den Typen auf Schmerzensgeld (wegen des Schlages) und Schadenersatz (wegen der Brille) zu verklagen. Selbst wenn Du eine Rechtsschutzversicherung hast, ist noch nicht gesagt, ob die das zahlen. Die Kosten bleiben also eventuell bei Dir hängen.

    Wenn Du genug Zeit und Geld hast, kannst Du das natürlich trotzdem durchziehen. Eventuell bleibt bei dem Typen doch was haften, und bei der nächsten Aktion hat er schon etwas auf dem Kerbholz.

  4. Polizisten sind keine Juristen und haben durchaus mal ein Talent einen Sachverhalt falsch einzuschätzen. Wenn Du Dir einen Anwalt nimmst ist das deshalb sinnvoll. Hast Du die Zeugen gegenüber der Pol. bei der Anzeige angegeben – wichtig? Spreche Dich nicht weiter mit den Zeugen ab, indem sie anrufst. Guten Richtern fällt das auf, wenn sich Opfer und Zeugen an exakt die gleichen Ablauf erinnern, kleine Unterschiede erhöhen die Glaubwürdigkeit. Warst Du beim Arzt, der ein Gutachten der Körperverletzung geben kann (ärztlicher Befund, möglichst mit Fotos, wo man was erkennt)? Entstand Schaden am Fahrrad? Gibt es eine Gegenanzeige? Erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das ganze eingestellt wird, so nach dem Motto: haben beide ja was unrechtes gemacht. Leider stellt man in Berlin sehr viele Strafanzeigen ein, hier ist wichtig, wie schwer die Körperverletzung war, weniger der vermeintliche Versuch beim Abdrängen, da wird es schwer den Vorsatz zu beweisen. Hast Du auch die Verkehrsordnungswidrigkeit angezeigt? Auch wenn die Anzeige eingestellt wird, bleibt Dein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz und ggf. Schmerzensgeld, hier ist ein guter Anwalt besonders wichtig.

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