»Top-Verpfleger« beim 37. Berlin Marathon

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Die Nacht war kurz, denn bedingt durch Mark’s Geburtstagsparty bin ich erst um halb 2 ins Bett gekommen und der Wecker riss mich um 6 Uhr aus dem Tiefschlaf. Benommen riskierte ich einen Blick aus dem Fenster: Vor mir straßenlaternen beleuchteter nasser Asphalt und dicke Regentropfen, die auf diesen tropften.

Was hatte ich mir da nur angetan? In einer Stunde raus an die Siegessäule und beim 37. Berlin Marathon die Top-Athleten verpflegen? Absage und ins Wasser fallen lassen war nicht drin, aber mit dem Rad wollte ich dann auch nicht zur Siegessäule fahren und so ging es um 7:15 Uhr mit meinem Smart dort hin. Ein Parkplatz war schnell gefunden, neben unzähligen Rollstuhlfahrern, welche ihr Equipment für das Rennen aus den Autos luden.

Am Treffpunkt standen Fahrräder des Sponsors BMW für uns bereit, an dessen Lenker wir die großen »Freie Durchfahrt«Schilder zu montieren hatten. Dann wurde jedem von uns 25 »Top-Verpflegern« ein Spitzenläufer zugeteilt. Es war unsere Aufgabe an den speziell für die Elite eingerichteten Verpflegungspunkten den Läufern genau Ihre Getränkeflasche zu übergeben. Dabei war es zwingend erforderlich, das wir hinter den Absperrbändern blieben und nicht mit den Athleten mitlaufen durften, da das Reglement dies verbot.

Zur besseren Erkennung erhielt jeder eine Startnummer mit dem Namen seines Athleten, welche wir mit Sicherheitsnadeln auf dem von Adidas gesponsorten Funktionshirt befestigten. Die Vorgabe hörte sich recht simpel an, aber in der Praxis war es dann doch gar nicht so einfach, aber dazu später mehr.

Um 10 vor 9 ging es dann über eine Abkürzung zu Kilometer 5 wo die erste Versorgung stattfinden sollte. Dort wartet schon ein BMW X6 mit einem Rennkommissar der genau beobachten wollte, wie wir die Flaschen übergaben. Meine Flasche war nur zu einem Drittel gefüllt und roch nach PowerBar WildBerry. Andere waren mit Fähnchen versehen und mit japanischen Schriftzeichen beschriftet. Die ersten Polizei Motorräder schossen vorbei und wir wussten das nun die Top-Läufer in wenigen Minuten folgen würden. Unser ganzes Helferteam war aufgekratzt und jeder machte sich Sorgen ob auch sein Top-Läufer die richtige Verpflegung erhalten würde.

Als die Spitzengruppe vorbeikamen wurden die Namen der Läufer geschrien in der Hoffnung einen Blick und ein Hand zu erhaschen, welche die richtige Flasche griff. Alles ging total schnell, ein Läufer griff meine Flasche ich wusste aber nicht ob es Tesgay war oder nicht, hatte auch keine Zeit das zu überprüfen denn ich musste mich schleunigst auf mein Bike schwingen und den Läufern hinter her fahren. Ziel war es vor den Läufern an Kilometer 9 zu sein, um deren Flasche ausgehändigt zu bekommen und bereit zu stehen. Gerade in dem Sektor gab es keine Abkürzung für uns, wir mussten also an den Top-Läufern auf der Strecke vorbei, was der Veranstalter gar nicht gerne sah, denn er wollte nur Läufer auf den Fernsehbildern haben und keine Radfahrer.

Nun positionierten wir uns etwas breiter hinter den Versorgungs-Tischen, so dass die Läufer uns besser sehen können würden und da kamen sie auch schon. Ich brüllte mit aller Kraft den Namen meines Läufers aber der reagierte nicht, er lief wie in Trance und erst als er vorbei war nahm er von mir Notiz. Hinterherfahren war verboten und ihm die Flasche bringen. So hatte er echt pech gehabt. Aber was sollte ich tun? Weiter zur nächsten Verpflegung und hier in Kreuzberg lief es besser, Tesgay Tsegay nahm mich zur Kenntnis und nahm sauber sein Getränk in Empfang. Klasse.

Warum können die Veranstalter eigentlich nicht den Namen eines Top-Ten-Läufers richtig schreiben? Vielleicht reagierte er deshalb nicht auf mich, weil ich einfach seinen Namen falsch aussprach!? Nun fuhren wir eine Abkürzung um Zeit zu gewinnen und pünktlich am Verpflegungspunkt Yorkstraße zu sein. Yosh überholte mich. Sie war für den Sponsor Festina mit 5 anderen Rennrad-Damen ganz vorne in Festina-Team-Trikots unterwegs. Sie war ganz aufgelöst, nicht vor Regen, sondern weil sie sich vorne einen Platten eingefangen hatte. Leider konnte ich ihr nicht wirklich helfen, da ich mich um Tsegays Verpflegung kümmern musste.

Auch diesmal klappte die Übergabe wieder hervorragend, obwohl Tsegay erst im letzten Moment von mir Notiz nahm. Ich machte mir sorgen und war ein wenig verunsichert: Wusste Tsegay nicht von mir? Wollte er nichts? War er zu sehr in seinem Lauf-Film versunken oder verstand er seinen Namen einfach nicht? Es war wohl letzteres.

Nun schnell zum Roseneck, der nächsten Verpflegung. Dort wartet schon die Flasche mit der #8 und dem grünen Papieretikett auf mich. Diesen Farbstreifen hatte Tsegay an jede seiner Flaschen gemacht. Diesmal war auch ein PowerBar Gel Tropical Fruit an der Flasche fest geklebt. Sicher eine sehr wichtige Verpflegung für ihn aber wieder nahm er im aller letzten Moment von mir Notiz und passierte den Bereich in welchem ich ihm die Verpflegung hätte geben können. Ich nahm die Flasche und warf sie in einem hohen Bogen in seine Richtung und wie ein Wunder flog sie über ihm hinweg genau in seine Arme. Perfekt! Diese Aktion brachte mir Beifall der beistehenden Zuschauer ein und ich war froh, meine Mission erfüllt zu haben, denn ich weiß wie es sich anfühlt wenn man bei einer längeren Belastung auf Verpflegung hofft, diese dann aber nicht bekommt.

Leider trödelte ich nun ein wenig und bemerkte erst spät das ich mich umgehend auf mein BMW-Leih-Fahrrad zu schwingen hatte um meinem Mann zur nächsten Verpflegung her zu fahren. Die Spitzengruppe war schon außer Sichtweite und ich musste mit Kette rechts den Hohenzollerndamm herunter ballern um die Gruppe am Fehrbelliner Platz wieder zu kassieren. Nun ging es den Ku-Damm hinunter und die Zuschauermenge wurde größer. Eine tolle Stimmung. Nun klappte auch die Verpflegung am Tauenzien von Tsegay – wir schienen uns langsam an einander gewöhnt zu haben. Nun noch zum letzten Verpflegungspunkt nach Mitte und dann war schon Unter den Linden die Zielgerade erreicht. Tsegay war die ganze Zeit auf Platz 4 unterwegs und das Feld war auch entsprechend zerstückelt, das er leicht auszumachen war.

Unter den Linden waren auf der Straße zwei Gassen, etwas 1 km vor dem Ziel, welche Gasse für wen war war nicht ersichtlich. Ich fuhr in die rechte breitere etwas 500 Meter vor Tsegay. Ich drehte mich um und er folgte mir wurde aber zurück beordert um in die andere Gasse zu laufen! Was für ein Unding! Diese Aktion hat Tsegay sicher 5 Sekunden gekostet. Warum können nicht beide Gassen geöffnet sein oder ein Ordner die Spitzenläufer entsprechend einweisen? Ich kann mich erinnern das das in den letzten Jahren schon einmal passiert war…

Hinter dem Brandenburger Tor mussten wir nach links die Strecke verlassen unsere Schilder von den Lenkern lösen und zurück durch den Tiergarten zur Siegessäule fahren um dort unsere Räder und Funkgeräte zurück zu geben.

Fazit: Eine nette Abwechslung zum üblichen Rennrad fahren. Tolle Stimmung an der Strecke trotz Sauwetters. Es war eine große Ehre für mich, auf dem Rad ein »Top-Verpfleger« sein zu dürfen.

5 Antworten auf „»Top-Verpfleger« beim 37. Berlin Marathon“

  1. He, toller Bericht. Wie bist du denn zu dieser Ehre gekommen?
    Dass es logistische Probleme dieser Art geben könnte hätte ich nie gedacht. Dass die Veranstalter Läufern und Helfern die Verpflegungsübergabe derart erschweren, ist merkwürdig.
    Beim nächsten Lauf mit Spitzenläufern werde ich wohl den Helfern mehr Aufmerksamkeit schenken.
    Gruß, Andreas

  2. Ein Bericht zum mitfiebern. Was für ein Heldenakt. Besonders den Flaschenwurf hätte ich gern gesehen. Sehr sportliche Leistung und sicher ein wohl verdienter neuer Freund aus Äthiopien!

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