Der Morgen »Rad am Ring«

Lesezeit: 3 Minuten

oder „Der Countdown läuft“


Die Nacht war überstanden und ich wartete auf meine letzte Runde in der „Grünen Hölle“.

Einerseits wollte ich diese Runde noch einmal richtig genießen und die Strecke einatmen, andererseits musste wieder richtig am Rad gedreht werden um unsere Plazierung im Gesamtklassement zu halten oder gar zu verbessern.

Genießen und Bolzen ließ sich erstaunlicherweise perfekt kombinieren, was auch an dem fast wolkenlosen Morgenhimmel und dem wärmenden Lüftchen lag. Ich freute mich schon auf die Fuchsröhre, der schnellste Abschnitt der Strecke, an der Christoph mit einem Top-Speed von 90,4 km/h eine klare Ansage gemacht hatte. Die 9 wollte ich natürlich auch vorne auf dem Tacho sehen, was mir auch gelang.

Der Spass endete aber, wie schon all die Runden zuvor, am Anstieg zur Hohen Acht – dem steilsten Stück der Nordschleife. Es musste mit voller Konzentration gefahren werden, da die Strecke nun, bedingt durch eine RTF sehr voll wurde und auch Familien mit Kindern die Strecke befuhren. Einerseits kann ich die Veranstalter verstehen das dieses tolle Asphaltband möglichst vielen Hobby-Radlern zur Verfügung stehen soll, warum das aber zeitgleich mit uns Rennfahrer erfolgen muss, ist mir unverständlich. Aber jede Ring-Stunde kostet eine Menge Geld und so muss das halt optimal genutzt werden. Ein Geschmäckle bleibt, denn die volle Fahrbahnbreite nutzende Familienväter mit ihren Kindern auf Tourenrädern störten den Rennbetrieb doch empfindlich. Und gerade in den letzten Stunden, wo alle 24-StundlerInnen doch mehr oder weniger angeschlagen sind, sind solche künstlichen Hindernisse nicht gerade der Sicherheit dienlich.

Seis drum, ich konnte trotzdem Genießen und Bolzen und ein letztes mal die echte Transponder-Trinkflasche an Peter übergeben. Nach 24 Stunden das erste mal aus meinen Radklamotten pellen um ein erfrischende Dusche nehmen – welch ein Genuß!

Nach Peter ging dann Christoph auf die letzte, 27. Runde. Er fuhr diese erneut sehr schnell und sicherte uns so den 93. Platz von 674 4er-Teams.

Fazit:

Eine im Großen und Ganzen recht gut organisierte Veranstaltung. Die Nordschleife mit dem Rennrad befahren zu dürfen ist ein Traum: Der Asphalt ist durchgehend perfekt glatt, griffig, sauber und frei von Schlaglöchern. Auch die Sicherheit entlang der Strecke ist super. Nachts hatte das THW sogar an gefährlichen Passagen Flutlicht aufgebaut. Was ich bemängel ist der extrem hohe Kommerzialisierungs Grad. Das fängt mit der Ring-Card an, welche an Terminals mit Bargeld beladen werden muss um Dinge auf dem Boulevard kaufen zu können, 6,- € Leihgebühr für den Transponder inkl. 40,- € Pfand (!) und hört bei kleinem Kaffee für 2,- € an der Verpflegungsbude auf.

Auf der anderen Seite gab es aber auch viele Sponsoren, die uns kostenlos versorgten, wie eine lokale Molkerei an der dann eben der gesponsorte kostenlose Eiskaffee in Dosen getrunken wurde. Auch die kostenlose 24-Stunden-Fahrer-Nacht-Verpflegung war ok: Im Boulevard gab es immer ausreichend Bananen, Kekse, Frischeiwaffeln, Muffins und Pepsi-Cola.

An vielen Stellen merkt man halt auch, das die Symbiose von Rad- und Motorsport einfach nicht funktioniert. Das ganze Konzept „Nürburgring“ ist halt für 364 Tage im Jahr Motorsport erstellt worden: Abseits der Nordschleife erwarten einen halt eine funktionale Betonwüste und keinerlei Grünflächen. Der industrielle Charm einer Motorsportbox läßt sich für eine Nacht durchaus ertragen, die Jungs vom Team „Spass Am Ring“ hatten allerdings Probleme die Heringe ihrer Zelte auf ihrer betonierten Parzellenfläche einzuschlagen. Aber das können die Veranstalter auch nicht ändern.

Die Strecke der Grünen Hölle entschädigt für all das und ich habe sehr große Lust, diese Veranstaltung wieder mit einem tollen Team zu besuchen. Ob schon in 2011…ich werde sehen!

6 Antworten auf „Der Morgen »Rad am Ring«“

  1. Besten Dank an unseren Kaptitän Georg! „You will never ride alone!“ 😉
    24h Stunden können trotz Anstrengung und Anspannung, Höhen und Tiefen sehr unterhaltsam sein. Die volle Verarbeitung brauch noch ein paar Tage.
    Mein Fazit: Wer entspannen kann schafft mehr Runden. Der Kopf verbraucht viel Energie, die am Ende in den Beinen fehlt.

  2. Der Stau im Zielbereich hat uns offenbar tatsächlich einen Platz gekostet: Laut Ergebnisliste sind wir mit dem 92. (Team 2012) exakt zeitgleich, d.h. beide Schlussfahrer müssen auch gleichzeitig über die Zielinie gekommen sein. Und ich habe keine Zweifel, dass Christoph einen freien Zielsprint gewonnen hätte …

    Trotzdem ist der 93. Platz natürlich großartig und übertrifft meine Erwartungen. Mein persönliches Fazit allerdings: Rennen fahren bei Übermüdung muss ich nicht unbedingt nochmal haben. Und mir ist die Runde auch – je nach sichtweise – etwas zu anspruchsvoll (= steil) respektive unrhythmisch…

    Insgesamt jedenfalls eine ganz schön anstrengender Akt mit rund 40 Stunden fast ohne Schlaf (von Samstag früh bis Sonntag Nacht).
    Und die entscheidenen Körner haben Georg und mich wahrscheinlich bereits die ermüdende einstündige Pflicht-Teamleitersitzung vor dem Rennstart gekostet 😉

    Aber Hut ab vor der kontinuierlichen Superleistung unsere Team-„Jugend“ und Georgs nimmermüdem Engagement!

  3. Beim Einzug in unsere Box hatten wir noch über die Teams gewitzelt, die mit Köchin und Grossküche angerückt waren. Spätestens als mich auf der Doppelrunde in die Morgendämmerung Bauchschmerzen plagten, gefolgt von einem deutlicher Leistungsabfall, wünschte ich wir hätten auch was ordentliches zu futtern gehabt. Ich weiss zwar nicht was für mich optimal gewesen wäre aber eine Bana-Punch-Müsli-Eierwaffel-Salzstangen-Diät ist es jedenfalls nicht 😉

    Toll war, dass trotz einiger Malleurs, die uns bestimmt den einen oder anderen Platz gekostet haben, die Stimmung stets locker und humorvoll war – 24 Stunden grau.

    Nachts legte sich eine wunderbare, konzentrierte Stille über die Boxengasse. Man hörte nur ab und zu die Fahrer, die im Vorbeifahren ihren Namen in die dunkle Nacht riefen, damit sich der nachfolgende Fahrer fertig macht.

    Nur zwei Dinge haben genervt: Die fast durchgehend besetzte Toilette und tagsüber die zeitweise ohrenbetäubende, offizielle Dauerbeschallung.

  4. Vielen Dank für deine tollen Berichte.
    Leider kann man deinen Berichten nicht entnehmen, ob ihr dort auf der Strecke weitgehenst alleine unterwegs wart, d.h immer alleine im Wind gefahren seit oder ob sich kleinere Gruppen bilden usw.
    Gruss
    alexander

  5. @Alexander: Also ich bin – wie wohl die meisten – überwiegend alleine gefahren. Mit Ausnahme der langen leicht ansteigenden Zielgeraden (und Gegenwind!) ging es sowieso nur hoch oder runter. Man hat schon in der Regel weitere Fahrer in Sichtweite (und kann ständig die 24h-Einzelfahrer überholen) und ab und zu kann man sich auch bei einem hintenrein hängen aber ordentliches Ablösen hat dann nie lange geklappt, weil die Tempovorstellungen zu unterschiedlich waren. Als endlich mal schnellere Gruppen von hinten kamen (meistens auch nur zwei oder drei Mann) war ich schon zu schlaff um länger dranzubleiben und wurde in der Regel an der nächsten Steigung wieder abgehängt. Wäre schon ein Glücksfall, wenn man jemanden trifft, mit dem man die ganze Runde im gleichen Tempo fahren kann. Also kein Vergleich zum Windschatten fahren beim Velothon oder den Cyclassics.

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