oder »Another day in paradise«
Nach einer kurzen Nacht klingelte der Wecker um 4:40 Uhr. Alles war bereits am Vorabend arrangiert: Die Radkleidung, die Füllung für die Trikottaschen und Getränkeflaschen, Radschuhe, Garmin, Kaffeemaschine und eingeweichtes Müsli standen bereit.
Nach dem notorischen Gruppenfoto starteten wir um 5:45 Uhr in die Dunkelheit auf die 18 km lange Fahrt nach Cape Town zum Start des Rennens. Gut das ich meine Fenix Lampe eingepackt hatte, die die Straße für uns hell erleuchtete.
Wir erreichten pünktlich Cap Town und hatte noch genügend Zeit die Dixi-Toiletten aufzusuchen, bevor es gemeinsam in unseren Startblock ging. Die Stimmung war heiter und ausgelassen, von der üblichen Vor-Rennnervosität war wenig zu spüren. Die Veranstaltung glich eher einem riesen Volksfest, als einem verbissenen Radrennen und viele bunt und auffällig gekleidete Rennfahrer wurden gesichtet. Kuriose Räder wie BMX, Einrad und auch (Renn)Tandems waren am Start.
Die Minuten bis zu unserem Start um 7:54 vergingen recht schnell. Wir wurden sogar 3 Minuten zu früh auf die Strecke geschickt. Unsere Taktik ging so: Steffen, Holger und Michael wollten das Ding zusammen fahren und Christian und ich bildeten ein Team. Damit waren die unterschiedlichen Leistungsklassen perfekt definiert.
Kurz nach dem Start ging es gleich auf die breite Schnellstraße M3. Christian machte sofort richtig Druck auf die Pedale und überholte in der rechten Spur, was ja in Südafrika dank Linksverkehr auch die Fastlane ist.
Mir war das erheblich zu schnell und auch mein Garmin wollte nicht so recht. Ständig das Autopause-Weiter-Problem. Leicht genervt rief ich Christian zu, das ich anhalten möchte um das Problem zu lösen, was wir auch auf der nächsten Anhöhe auf dem linken Seitenstreifen taten. Ich versuchte den GSC-10-Sensor und den Speichenmagneten neu zu justieren und rief Christian zu, das wir weiter fahren können. Er setzte sich 10 Meter vor mir in Bewegung und es passierte was nicht passieren sollte: Er drehte sich um und versuchte dabei sich in sein rechtes Pedal einzuklicken. Er verfehlte das Pedal, rutschte mit dem Schuh vorne über, trat in die Speichen seines vorderen Laufrades, welche brache, und machte mit seinem Rad eine Rolle über seinen Lenker.
Ich war geschockt. Nach 2,5 km schon das aus? Ich war sofort bei ihm. Er fluchte und sagte ich solle weiter fahren. Es hatte sich zum Glück nicht ernsthaft verletzt, aber das Laufrad war nicht mehr fahrbereit. Es kamen unmittelbar zwei Helferinnen und so beschloss ich nach kurzem Zögern weiter zu fahren. So ein Mist. Meine Motivation ein schnelles Rennen zu fahren war erst einmal hinüber.
Nach wenigen Minuten passierte ich wieder Michael, Holger und Steffen auf der Strecke und berichtete kurz was passiert war, bevor ich mich alleine auf die weitere Fahrt nach Süden machte. Nun ging die Sonne vollends auf und es waren nur kleine Wolken am Himmel zu sehen. Der Wind blies moderat, meinen Flow hatte ich mitlerweile gefunden und es begann richtig Spass zu machen. Ich zog immer öfter den Fotoapparat heraus und war geflashed von der atemberaubend schönen Landschaft.
Leider gelang es mir nicht eine gute Gruppe zu finden, die sportlich unterwegs war. Immer wieder fuhr ich zwar auf Grüppchen auf, diese waren aber durchweg so langsam, das ich keinen Spass fand, mich dort reinzuhängen. Auch nach dem Passieren fanden sich selten ambitionierte Fahrer die sich bei mir reinhingen und mit Tempoarbeit leisteten. Das enttäuschte mich dann doch ein wenig und ich weiss nicht so recht woran das lag. Vielleicht an dem Block aus dem wir gestartet sind, vielleicht an dem allgemeinen Volksfestcharakter der Veranstaltung. Merkwürdig nur, das jeder Teilnehmer einen kostenlosen Transponder zur Zeitnahme erhielt, was dann ja auch wieder meiner Theorie widersprach. Immer wieder waren auch Zeitnahmematten auf der Strecke.
Hinter Tokat wurde die Schnellstraße verlassen und es ging hoch auf die Küstenstraße Richtung Kalk Bay. Der Blick hinunter nach Muizenberg war atemberaubend. Zum Glück hatte ich die Kamera gerade rechtzeitig für ein Foto in der Hand.
Leider funktionierte mein Garmin, bedingt durch den fehlerhaften GSC-10, bei dem sicher die Batterie den Geist aufgegeben hatte nicht. So konnte keine rennrelevanten Daten ablesen. Keine Durchschnittsgeschwindigkeit, keine Fahrzeit, keine Momentangeschwindigkeit. Nix. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb entdeckte ich nun wieder meine Renn-Attitüde und begann Radler zu passieren. Immer schön rechts vorbei. Wenn ich es dann mal wieder baumeln ließ kam manchmal ein Zug in den ich mich reinhängen konnte, am nächsten Hügel war es damit aber wieder vorbei und ich fuhr dem Gruppetto davon. Schade eigentlich.
Plötzlich war der südlichste Punkt der Runde erreicht und auf den Schildern stand »60 km to go«, was ja nun wirklich keine große Distanz ist und so beschloss ich wieder eine Schippe drauf zu legen. Nun fanden sich zwei junge, gut trainierte Südafrikaner, die Spass daran fanden, sich hinter mir im Wind zu verstecken. Ich hatte einige Schwierigkeiten die beiden bei den kurzen Gesprächen zu verstehen. Ihr Akzent klingt einfach sehr ungewohnt. Ich verstand nur das Tony empty sei und he needs to refill.
So hielten wir an einem der unzähligen Verpflegungposten, kurz vor dem Chapmans Peak und füllten schnell unsere Flaschen bevor es den längsten, schönsten und härtesten Anstieg dieser Runde hinauf ging. Leider verlor ich die Beiden erneut und so blieb mir nur ein Foto meiner kurzzeitigen Weggefährten.
Oben am Chapmans Peak merkte ich das ich meine zweite Getränkeflasche und meine Energie-Pulver-Tüten irgendwo verloren hatte. Das bedeutete auf jeden Fall noch einen Zwangsstopp vor dem Ziel. Erst wollte ich aber noch den Anstieg in Hout Bay nehmen, denn von dort aus ging es fast nur noch bergab zum Ziel.
In Hout Bay erwartete mich ein Volksfest der besonderen Art: Die meisten Zuschauer waren in Pink gekleidet um sich mit mit einer Brustkrebs-Organisation zu identifizieren. Wie auch schon auf den vorherigen Kilometer motivierten die Zuschauen mit lauten Rufen Well done und You are looking great. Das war ganz großes Kino für den Anstieg. Einige schafften das Ding nicht mehr aus eigener Kraft und ließen sich von Kids, die sichtlich Spass an der Sache hatten, den Berg hoch schieben.
Oben angekommen wurden noch schnell die Flasche mit Powerade von zu Popmusik tanzenden Teenagern gefüllt, die ebenfalls sichtlich Freude an ihrem Job hatten. Was für einen wundervolle Vibration!
Mit orangener Powerade und einem breiten Grinsen im Gesicht ging es auf die letzten 16 Kilometer. Ich hatte heute eine dritte Lunge, sicher auch bedingt durch die einwöchige Rennrad-Pause. Das Meer, die Wärme und die Sonne halfen sicher auch.
Als ich nach 3:20 h in die Beach Road in Cape Town einbog waren die Beine dann doch ein wenig schwer und ich war froh, es bald geschafft zu haben. Nach dem klasse Zieleinlauf fuhr ich auf den Bike-Park, wo eine kostenlose eiskalte Coca-Cola-Dose auf mich wartete. Nach einem kurzen Verschnaufen in der Sonne machte ich mich auf zu unserem Treffpunkt, an dem 45 Minuten später auch Steffen und der Rest der Truppe eintraf.
Fazit: Ein ganz großes Radrennen mit atemberaubenden Landschaften. So was habe ich bisher noch nicht gesehen. Wirklich einmalig. Es wird schwer werden, diese Eindrücke auf dem Rennrad in 2011 zu toppen … und das Jahr hat gerade erst begonnen!
P.S. Christian konnte nach einer kleinen Reparatur-Odysee mit 45 minütiger Verspätung das Rennen fortsetzten und zufrieden das Ziel erreichen.
Toller Bericht, tolle Bilder … macht Fernweh und vor allem Lust auf Sonne.
Schließe mich dem Lob von Mike uneingeschränkt an. Liest sich einfach nur toll – stark! Gut für Christian, dass er ohne ernsthafte Verletzung geblieben ist.
Weiterhin viel Spaß.
Coole Fotos, heisse Story, da könnte schon eine Portion Neid aufkommen 😉
Hallo Georg,
toller Bericht! Schön, dass ihr alle heil ins Ziel gekommen seid.
Ich wünsche euch einen guten Heimflug. Grüß bitte deine Teamkollegen bekannterweise und unbekannterweise von mir.
Bis bald in der Heimat,
Andreas
hallo georg,
das hört sich ja wirklich nach einem tollen lange im kopf bleibenden erlebnis an. schöner bericht nette fotos.
gruß
ingo
Hi Georg,
endlich hier ein Bericht von dir!
Schön, dass du gut durchgekommen bist, Fotos und Text lassen uns „dabei“ sein……
Viel Spass weiterhin und bring noch viele Fotos mit!!!
Hey, ich war auch dabei – zum ersten Mal.
Ein unbeschreibliches Erlebnis!!!
Ich habe mit Freude einige deiner Berichte gelesen.
Vielen Dank für die viele Arbeit.
Wir wollen als Gruppe von ca. 6 Fahren 2015 an der Veranstaltung (Cape Argus Tour)teilnehmen und haben viele Fragen.
Wenn möglich melde Dich.
Gruß Gerald